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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 22 (2. Augustheft 1905)
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Unsere Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0627

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Ansere VUäer

Das farbige Blatt vor unserem heutigen Hefte zeigt, wie eiuer der
besten französischen Jmpressionisten die Themse mit der Londoner Brücke
sieht. Zu den Radikalsten seiner Richtung gehört Claude Monet noch
keineswegs, so fremdartig seine Schöpfung dem ungewohnten Auge er-
scheinen mag: die fchwere Wasserluft, die dunstgeschwängerte, schier an-
mutig erhellt und wie sestlich belebt von heiteren Abendfarben. Die spielen
über den Wassern, lösen die strengen Konstruktionsformen der Brücke, sodaß
sie Ton wird und gleichsam Teil des allgemeinen Lichtes, sogut wie die
Masse des Parlamentsgebäudes zur Rechten. Gewiß nicht die einzige Art,
dieser Stunde an dieser Stätte im Bilde gerecht zu werden, aber doch weit
mehr als ein nüchternes Experiment uud kühles Rechenexempel. Ueber-
schätzen werden grade wir diese sehr gesteigerte Augennervenkunst nicht, aber
bis zum gewissen Grade schätzen und in ihren bezeichnendsten Formen minde-
stens kennen lernen sollten wir sie schon. Freilich scheint die rechte Wir-
kungskraft solcher Bilder fast ganz ans Original gebunden,-und so will auch
unsere Wiedergabe nichts anderes sein als eine farbige Anweisung auf dieses
Original, die keineswegs vorgibt, ihren Wert in Bar zu enthalten.

Einfarbig zeigt unsere weitere Beilage die Bachlandschaft von
Hermann Lasch. Einfarbig und doch außerordentlich reich an Farbe,
an den zartesten Abtönungen innerhalb eines stimmungsvoll beherrschenden
Gesamttones. Das Motiv ist sehr bescheiden, aber wie sicher ist es gefunden
und wie fein stehn die groß geschauten Bäume im Raum! Das Auge
wandert gemächlich über Bach und Wiese in den Horizont hinaus, und
merkt kaum, wie gut es geführt wird. Die Techuik dieser Wiedergabe ver-
mittelt allerdings den Reiz des Originals überaus schön.

Zum Schlusse eine Zeichenstudie Ludwig von Hofmanns: an
weitem Strande reiten nackte Jünglinge in die Wogen. Woran liegt's,
daß man doch mehr zu sehen meint als ein Paar Schwemmereiter? Mit
ganz wenigen Strichen ist alles nur so hingeworfen, und doch hat's seinen
eigenen rhythmischen Reichtum im Fluß der Wellenlinien, wie der Konturen
von Mensch und Tier. L K

August Kühnel, Stücke sür Violoncell. Mit dieser Gabe hoffen
wir den Lesern eine ganz besondere Freude zu bereiten. Der Aufsatz Cramers
gewährt ^ine gute Gelegenheit, die Wünsche um Rat für gediegene Haus-
musik auch auf dem Gebiete der Streichinstrumente zu befriedigen. Zunächst
möge der Text des Aufsatzes herangezogen werden. Wir möchten aber den
Komponisten dieser tiefempfundenen Melodien mitsamt der ganzen Musik jeuer
Zeit vor ungefähr s?00 oder s7sO den Lesern aufs wärmste zur Beachtung
empfehlen. Der deutschen Musik, meinen wir. Denn gerade das ist erhebend
an jener Zeit nach dem dreißigjährigen Kriege, daß die deutsche Musik, und be-
sonders die aufblühende Kammermusik sür Streichinstrumente durchaus nicht
verroht, inr Gegenteil verinnerlicht erscheint. Und das Tragische: diese
Blüte eigendeutscher musikalischer Kultur ist dann mit dem s8. Jahrhundert
durch die hereinbrechende Ausländerei der deutschen Höfe und „gebildeten"
Kreise wieder erkältet worden. Merkwürdigerweise haben sranzösische Ein-
slüsse der deutschen Musik viel weniger geschadet als italienische. Ueber

2. Augustheft l905 555
 
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