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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI issue:
Heft 16 (2. Maiheft 1905)
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Kalkschmidt, Eugen: Von allerhand Festlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0231

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Vcm allerbanct ^estliebkeit

Die Festsaison ist zu Ende, die Zeit der Erholung beginnt.
Mehr oder weniger blaß und blasiert, rnehr oder weniger reich an
Erinnerungen und Eroberungen sucht unsere „gute Gesellschaft" mnde
den Schutz der Zurückgezogenheit anf und überlegt: wie und wo
erholen wir uns von den Anstrengungen des Vergnügens? Wie ent-
gehen wir endlich diesen lästigen Festlichkeiten?

Eine drollige Frage für den, der diese so beredsame Festlichkeit
von außen her betrachtet, der sie an dem heiteren Jdeale mißt, das
er sich vielleicht in der Stille von Festlichkeit und Festessreude ge-
schaffen hat. Eine Erholung von dem, was Erholung fein und ge-
währen sollte! Denn das sollen unsere Feste doch wohl, ihrem ur-
sprünglichen Wesen nach? Sie sollen das Grau des arbeitsamen All-
tages sonntüglich heiter unterbrechen. Sie sollen recht eigentlich aus
diesem sruchtbaren Alltage herauswachsen als Blüten eines hoch-
gesteigerten Lebensgesühls, als Ausdruck der Lebensfreude, die ihrer
selbst ansichtig und bewußt werden will in hochgestimmter Gemein-
schast. Durch Heiterkeit das menschliche Leben zu verlängern — der
zehnte Leo hatte den Wert solcher Kunst klug erkannt und betrieb sie
systematisch. Vielleicht eben darum aber mißlang sie ihm und allen,
die nach ihm die Kunst systematischer Heiterkeit durch die Festlichkeit
um jeden Preis und zu jedem Zweck ausübten. Diese Festlichkeit, von
der man „sich erholen" muß — man könnte auch sagen: sich her-
holen muß, weil man sich, sein tieseres Selbst in der Gefahr des
Vergessens, des Verlustes fühlt.

Doch sehen wir> von der Festschmerzlichkeit unserer müden Ge-
sellschaftsmenschen ab und suchen wir im „Volke" nach der wahren
Festlichkeit. Das Volk und seine Feste suchen wir — was wir finden,
sind Vereine, Bünde, Gesellschasten; Kränzchen des Kasfees, des Tanzes,
der Gemütlichkeit; es ist serner der Stammtisch, und endlich, als
kleinstes, aber zahlreichstes Lebewesen, als einfachster Z^llenstaat gleich-
sam der Geselligkeit und geselligen Festlichkeit taucht aus verwölkter
Kneipenlust der Tisch des männerwürdigen Skates oder der des Tarocks
bedeutsam aus. Jn seinem Zeichen, und das ist im Zeichen einer
wahrhaft bescheidenen geistigen Selbstgenügsamkeit, steht all unsere
breite Geselligkeit. Und — Gott sei's geklagt — unsere sogenannte
Volksfestlichkeit nicht minder.

Man könnte sagen: Würfelspiel und Becherlupf sei von jeher
des weltbeherrschenden Germanen Zeitvertreib gewesen: er habe ihm

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