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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 13 (1. Aprilheft 1905)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0051

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eindringt, dem erscheint das doch
etwas irresührend.

Ellen Key ist weder Philosophin
noch überhaupt Denkerin im eigent-
lichen Sinne, sie gehört zu jenen
sympathischen, von herzlicher Men-
schenliebe getriebenen Persönlichkei-
ten, deren markanteste wir in Moritz
von Egidy vor uns hatten. Jn
einem recht unhistorischeu Jdealis-
mus und recht konstruierten Opti-
mismus nimmt auch sie u priori
an, das Menschengeschlecht sei dazu
bestimmt, aus einem schräg auswärts
vorgeschriebenen Wege durch allmäh-
liche Veredlung und Verseinerung
der einzelnen Seelen besser zu wer-
den — obschon die Geschichte doch
lehren kanu, daß die Menschheit bis-
her recht viel technische und kul-
turelle, aber nur verhältnismäßig
bescheidene ethische Fortschritte ge-
macht hat. So klingt es ganz schön,
wenn sich Ellen Key mit rührender
Unbekümmertheit über das Wie der
Emporentwicklung für alles mögliche
Liebe und Gute begeistert, wer in-
des das Leben nicht als einen
Jdeentraum, sondern als harte Wirk-
lichkeit nimmt, dem wird all ihre
Glaubensfreudigkeit und Hoffnungs-
seligkeit nicht genügen können. Ein
bischen Sozialismus, viel Poesis und
schöngeistiges Fühlen, noch mehr
Frauengemüt und warmes mütter-
liches Empfinden: das gibt ihrem
Wesen gerade die richtige Mischung,
um weibliche Herzen zur milden
Schwärmerei zu bringen. „Es soll
und muß besser werden, wir alle
haben die Pflicht zu sorgen, daß es
besser wird, und tragen die Schuld,
wenn es nicht geschieht" — welches
gut geartete junge Mädchen, welche
glückliche Frau wird nicht durch der-
artige „sittliche Forderungen" dazu
angeregt, sich als Kulturfaktor zu
fühlen? So liegt in ihren Män-
geln zugleich das Geheimnis ihres
Erfolges, der größere Teil der Frauen

liebt eben die Art, die scheinbar mit
dem Alten bricht, ihm jedoch immer
noch liebenswürdige kleine Zuge-
ständnisse macht, die nie schroff wird,
sondern stets fein und anständig
bleibt, kein Brandsches Nichts o-der
Alles kennt und, was sehr wichtig
ist, in ihrer Weichheit und Wärme
eine gewisse Verwandtschaft mit dem
religiösen Mystizismus hat. Trotz-
dem ist Ellen Keys Wirken ganz
sicher sür viele ein wirklicher Ge-
winn, weil ihre bedeutende Gemüts-
krast viele mit Jdeen erfüllt, die
über den Alltag hinausgehen. G L
V Höhenfeuer sür Schiller
sollen also am Abende des 9- Mai
überall aufflammen — so haben's
die Württemberger vorgeschlagen, und
allenthalben im Reich hat der Ge-
danke ein gutes Echo gefunden.
Schillerfeuer am Abend des neun-
ten Mai! Es wäre sehr zu be-
duuern, wenn man sie hier am
„Tage" selber, dort am Vorabend
entzündete, auch wir befürworten
dringend, daß sie allenthalben am
gleichen Abende zum Himmel leuch-
ten. Dann kann sich in der Tat
auf solche Weise von Ort zu Ort
ein Flammengrüßen erstrecken, „so
weit die deutsche Zunge klingt".

Berliner Theater
Stücke in vormärzlicher Umwelt
haben wir in letzter Zeit häufiger
aus der Bühne gesehen; auch der
Versuch, geschichtliche Personen jener
Tage in ernstem oder heiterem Rah-
men, tätig oder leidend austreten
zu lassen, ist bereits mehrmals ge-
macht worden. Hermann Bahr
aber hat sich als erster, soweit ich
sehe, um einen bedeutsamen Schritt
weitergewagt, indem er in seinem
Schauspiel „S ann a" (bei S. Fischer,
Berlin) die gesellschaftliche Stimmung
jener Zeit selbst zur Quelle der
Tragik macht. Er möchte an dem
Schicksal einer kleinstädtischen Be-

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