andern Klängen begrüßen oder heimbringen als den Schützenkönig
oder den Veteranenhauptmann. Brauchten wir nicht immer von
der Oper und Operette zu borgen, wenn wir für irgend einen Anlaß
des öffentlichen Lebens den Beistand der Musik benötigen, würde
das Gefühl für Unterschiede — den bekannten Hamburger Theater-
direktor Pollini hat man mit Wagners Trauermarsch auf Siegfrieds
Tod zu Grabe geleitet — verfeinert, und wäre das Theater nicht so
sehr das Vorbild als der Spiegel des tatfächlichen Volkstreibens,
hätten wir erst eine reichdifferenzierte „Gelegenheitsmnfik" in gntem
Sinne: fo würde dies gewiß die Wahrhaftigkeit unferer Lebens-
führung begünstigen und zur Veredelnng der Vergnügungen, der
Geselligkeit beitragen.
„Träume eines Jdeologen!" höre ich. Weshalb müffen es
Träume bleiben? So wie die bildenden Künstler, die ehedem nur
Denkmale, Prachtbauten und Gemälde schufen, jetzt den Meister
Tapezierer, den Maurer und Musterzeichner mit seinen Schablonen
zurückdrängen, so werden einmal die schaffenden Tonkünstler, denen
noch immer der Konzertsaal als die allein standesgemäße Arena
ihres Talentes erscheint, ihren Wirkungskreis auf die Freiluftmusik
erweitern, dieselbe auf eine höhere Stufe heben und selbst dabei
nicht fchlecht fahren. Denn abgesehen von den materiellen Vor-
Leilen kann die enge Fühlungnahme mit dem Leben nur wohltätig
auf ihr freies, von ungebundenen Zielen geleitetes Schaffen zurück-
wirken. Richard Batka
Mittensfreikell unä rnoäernes vrania
Perfönliche Meinungen und vergessene Selbstv erständ lichkeiten
Die Vernachlässigung der Philosophie hat sich auch an den Dra-
matikern unsrer Zeit gerücht. Allerdings befand sich die heutige Gene-
ration im Nachteil früheren Generationen gegenüber, denn wir haben
das Werden eines imposanten philosophischen Systems nicht miterlebt.
Die Wortführer des längst entschlafenen vulgären Materialismus oder
Eduard von Hartmann oder Nietzsche können nicht als Philosophen
gelten oder wenigstens nicht als solche großen Stils. Nicht nur für
die Schulphilosophie, sondern sür jeden, der irgendwie durch ein be-
langreiches System einer srüheren Philosophie hindurchgegangen ist.
Schopenhauer war uns zeitlich noch am nächsten. Und haben wir auch
das Werden seiner Weltanschauung nicht miterlebt, so doch ihren Ein-
sluß. Für den Dramatiker kommt jedoch Schopenhauer, dieser dra-
matische Antichrist, ernsthast nicht in Betracht. Seine Anregungen
können den so wichtigen Aktionstrieb nur lähmen und haben es auch
getan. Und doch kommt kein Dramatiker, der seine „Mode" überdauern
will, ohne „Weltanschauung" aus. Das Gerüst, die Knochen dazu
kann nur eine Philosophie geben. Daß sich kein Dramatiker mit Haut
und Haaren irgend einem philosophischen System verschreibt, ist selbst-
verständlich. Das tut eine selbständige Jntelligenz überhaupt nicht.
Und noch jeder Dramatiker von Belang war eine solche. Ein reiner
2. Iuniheft
285
oder den Veteranenhauptmann. Brauchten wir nicht immer von
der Oper und Operette zu borgen, wenn wir für irgend einen Anlaß
des öffentlichen Lebens den Beistand der Musik benötigen, würde
das Gefühl für Unterschiede — den bekannten Hamburger Theater-
direktor Pollini hat man mit Wagners Trauermarsch auf Siegfrieds
Tod zu Grabe geleitet — verfeinert, und wäre das Theater nicht so
sehr das Vorbild als der Spiegel des tatfächlichen Volkstreibens,
hätten wir erst eine reichdifferenzierte „Gelegenheitsmnfik" in gntem
Sinne: fo würde dies gewiß die Wahrhaftigkeit unferer Lebens-
führung begünstigen und zur Veredelnng der Vergnügungen, der
Geselligkeit beitragen.
„Träume eines Jdeologen!" höre ich. Weshalb müffen es
Träume bleiben? So wie die bildenden Künstler, die ehedem nur
Denkmale, Prachtbauten und Gemälde schufen, jetzt den Meister
Tapezierer, den Maurer und Musterzeichner mit seinen Schablonen
zurückdrängen, so werden einmal die schaffenden Tonkünstler, denen
noch immer der Konzertsaal als die allein standesgemäße Arena
ihres Talentes erscheint, ihren Wirkungskreis auf die Freiluftmusik
erweitern, dieselbe auf eine höhere Stufe heben und selbst dabei
nicht fchlecht fahren. Denn abgesehen von den materiellen Vor-
Leilen kann die enge Fühlungnahme mit dem Leben nur wohltätig
auf ihr freies, von ungebundenen Zielen geleitetes Schaffen zurück-
wirken. Richard Batka
Mittensfreikell unä rnoäernes vrania
Perfönliche Meinungen und vergessene Selbstv erständ lichkeiten
Die Vernachlässigung der Philosophie hat sich auch an den Dra-
matikern unsrer Zeit gerücht. Allerdings befand sich die heutige Gene-
ration im Nachteil früheren Generationen gegenüber, denn wir haben
das Werden eines imposanten philosophischen Systems nicht miterlebt.
Die Wortführer des längst entschlafenen vulgären Materialismus oder
Eduard von Hartmann oder Nietzsche können nicht als Philosophen
gelten oder wenigstens nicht als solche großen Stils. Nicht nur für
die Schulphilosophie, sondern sür jeden, der irgendwie durch ein be-
langreiches System einer srüheren Philosophie hindurchgegangen ist.
Schopenhauer war uns zeitlich noch am nächsten. Und haben wir auch
das Werden seiner Weltanschauung nicht miterlebt, so doch ihren Ein-
sluß. Für den Dramatiker kommt jedoch Schopenhauer, dieser dra-
matische Antichrist, ernsthast nicht in Betracht. Seine Anregungen
können den so wichtigen Aktionstrieb nur lähmen und haben es auch
getan. Und doch kommt kein Dramatiker, der seine „Mode" überdauern
will, ohne „Weltanschauung" aus. Das Gerüst, die Knochen dazu
kann nur eine Philosophie geben. Daß sich kein Dramatiker mit Haut
und Haaren irgend einem philosophischen System verschreibt, ist selbst-
verständlich. Das tut eine selbständige Jntelligenz überhaupt nicht.
Und noch jeder Dramatiker von Belang war eine solche. Ein reiner
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