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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1905)
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Batka, Richard: Freiluft-Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0334

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einem besseren Geschmack znsagen und mit der Zeit erziehlich wirken
könnten, deren eigentümlicher, aus der besondern Beschafsenheit des
Raumes geholter Efsekt den Hörern sehr bald einginge. Es emp-
fiehlt sich zur raschen Einbürgerung, solche Nummern regelmäßig
an einer bestimmten Stelle des Programms zu bringen und durch
die Macht der Gewohnheit zu stützen. Wenn jeder weiß: sobald die
Sonne untergeht, steigt die ossizielle Serenade, und die hört man
sich am besten aus der Entfernung an, so richten sich die Leute bei
ihren Spaziergängen ebenso sicher darnach, wie sie im zoologischen
Garten auf die Fütterung der Raubtiere passen. Das verliehe nicht
nur den Programmen, ja dem ganzen Gartenleben einen sesten Punkt,
nach dem sich die Einteilung der Vortragsordnung und des Aufent-
haltes regelt, sondern gäbe auch unsern Komponisten mannigsache
Anregung, denn der Bedars wäre groß und mit vorhandenem
Notenmaterial nur zum kleinsten Teile zu bestreiten. Am ehesten
noch aus deu der Praxis dieuenden Abendmusiken der klassischen
Zeit, wogegen man auf die für Konzertzwecke komponierten Sere-
naden der Brahms, Dvorak, Richard Strauß u. a. von vornherein
verzichten und eine ganze Literatur in der Hauptsache ganz neu
hjervorbringen müßte.

Was man bisher aus dem Gartenorchester an besonderen Wir-
kungen herausgeholt hat, ist wenig und lüßt sich mit dem Worte:
Flügelhornsolo erschöpsen. Der Gedanke, so recht aus dem Milieu
geboren, scheint mir an sich gesund zu sein, wie schon die nie ver-
sagende Wirkung aus den naiven Zuhörer bestätigt. Seit er durch
Gustav Mahlers „Dritte" sogar symphoniefähig geworden ist, dürste
er auch einer edleren Behandlung würdig erachtet werden. Aber
ist die Komposition für den freien Raum einmal dem unzulünglichen
Handwerk abgenommen und in die Hünde von Künstlern gelegt, so
werden sindige Köpfe — man denke an die analogen Ersahrungen
im Kunstgewerbe — mit schöpferischer Phantasie auch uoch manche
neue Wirkung herausbekommen. Man beklagt ja die stimmenselige
Detailhuberei in der modernen Musik. Wohlan, so wäre hier durch
den Zwang zum Fresko ein Gegengewicht geboten. Aber beileibe
nicht etwa auf der Linie der „Amsel im Buchenhain" und ähnlicher
beliebten „malerischen" Gartenstücke fortgesahren! Jm Winter, im
Konzertsaal hör' ich mir ein Tonstück „aus der Natur" ganz gerne
an, weil es liebe Erinnerungen an Sommer und Sommerlust wach-
ruft. Aber von Jnstrumenten imitieren zu lasseu, was die ge-
siederten Virtuosen in den Wipfeln der Bäume „echt" und ohne
Honorar besorgen — das erinnert mich zu sehr an das famose
„künstliche Echo" aus den Fliegenden, um es nicht abgeschmackt zu
sinden.

Aus dem jeweiligen Zweck heraus würde sich dem Ton-
künstler eine Menge verschiedener, lebensvoller, weil dem Leben
dienender Formen und Färbungen ergeben. Jm Gegensatz zu der
weichen, träumerischen Sereuade würde die „Morgenmusik" einen
frischen, ausgeweckten Charakter haben. Wir brauchen Stand- und
Marschmusiken aller Art, und schließlich soll man einen jubilieren-
den Obersörster, einen neugewählten Bürgermeister oder Rektor mit



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Runstwart XVIII, s8
 
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