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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 18 (2. Juniheft 1905)
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Batka, Richard: Freiluft-Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0333

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ist genial erlauscht und mit verblüffender Anschaulichkeit dnrch
den leisen Ruck der Tonart von as nach e und wieder zurück ver-
sinnlicht.

Es ist nicht meine Absicht, hier alle Fälle und Möglichkeiten
der Musik im Freien zu erörtern. Das ergäbe sonst ein langes
Kapitel und manche schwierige Frage an die hohe Obrigkeit, die,
im Reiche wenigstens, mit ihren gestrengen Vorschriften die guten
alten Straßenmusikanten so gut wie ausgerottet hat. Einzig der
Leierkastenmann hat sich erhalten als „Träger" unserer musikalischen
Volkskultur — freilich, was trägt er außer den Gassenhauern vor?
Vor dem „Einzug der Gäste auf der Wartburg" schreckt er längst
nicht mehr zurück. Und doch hätte auch er und seinesgleichen eine
Mission für die Freiluftmusik zu erfüllen. Kehren wir indes zu
ihrer gewöhnlichsten Erscheinungsform, zum Gartenkonzerte zurück.
Daß diese Jnstitution, was die Wahl der einzelnen Vortragstücke
anlangt, im höchsten Grade reformbedürftig ist, wurde an dieser
Stelle schon sattsam zu mehreren Malen besprochen. Aber noch ist
etwas Grundsätzliches über die instrumentale Einkleidung des Genres
zu sagen, welche dem wohlverstandenen Zwecke durchaus nicht immer
angepaßt wird. Das leuchtende Vorbild aller unserer Gartenkapellen
ist nämlich das Militärorchester. Eine Zusammenstellung von Ton-
werkzeugen, die dazu dienen soll, die ermüdeten Nerven einer mar-
schierenden Truppe durch rhythmische Antriebe und rauschende Be-
täubung zu beeinflussen und diesen Zweck auch vollkommen erreicht,
wird als gleich geeignet befunden, auch das Erholungsstündchen
sriedlicher Menschen zu begleiten und die Verdauung des Nachmit-
tagskaffees zu beschleunigen. Gewiß taugt ins Freie nur das
robuste Blasorchester, aber dieses läßt doch wahrlich noch andere
als die militärischen Klangwirkungen zu. Hier könnten tüchtige
Komponisten, welche ein falscher Ehrgeiz bisher ausschließlich auf
das Gebiet der Oper, der symphonischen Dichtung usw. hinlenkte,
ein ersprießliches, in jeder Hinsicht lohnendes Feld der Tätigkeit
finden, indem sie Werke eigens für Gartenkonzerte fchüfen. Das
Lohengrin-Vorspiel oder die Figaro-Ouvertüre für einen Bläserchor
arrangieren ist Barbarei. Eine gute Gartenmusik mit künstlerischer
Ausnutzung der akustischen Gegebenheiten des Gartens zu schreiben,
die Gattung aus den Fesseln des Wachtparadestils befreien und
individualisieren, das scheint mir keine überflüssige, sondern eine sehr
dankbare Aufgabe zu fein. Vor allem fehlt es nicht so sehr an be-
lebenden, anregenden Tonstücken von Tanz- oder Marschcharakter,
sondern an solchen, welche sozusagen die Flächenwirkung des Orchester-
klanges oder an solchen, welche den getragenen Ton und seine Fern-
wirkung zur Geltung bringen. Wir dürfen nicht hoffen, im Hand-
umdrehen unseren Kapellen die unsereinem ganz unerträglichen
Opern- und Operetten-Potpourris zu verleiden, welche das A und O
aller Sommermusiken bilden. Denn das große Publikum verlangt
diese Kost; kein Dirigent (der ja überall vom Vorteil des Gastwirts
abhängt) dürfte es wagen, sie ihm vorzuenthalten oder zu ver-
weigern. Aber gewiß würden eben diese Dirigenten sehr geneigt
sein, zwischendurch regelmäßig Nummern einzuschieben, die auch



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