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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,2.1905

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Heft 20 (2. Juliheft 1905)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11879#0474
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I^ose Liälter

frauenlyrik

V o r b e m e r k u n g. Unsere Proben bringen eine Auswahl aus den
Gedichten von Margarete Beutler, Agnes Miegel nnd Luln bon Strauß-
Torney. Es handelt sich bei dieser „Frauenlyrik" nm mehr als ein bloßes
Empfinden und Gestalten nach literarischen Mustern. Gewiß werden in
ihr nicht gerade neue Jdeen- und Gefühlskreise aufgetan; aber die Sachen
tragen unverkennbare Spuren wirklichen Erlebens, und die übernommenen
Mittel werden von den Dichterinnen mit soviel eignem Gefühl gehand-
habt, daß ihre Verse von einem mehr oder weniger selbständigen künst-
lerischen Wesen künden. Der jüngsten und engsten Tradition, der „eman-
zipierten" Moderne im Modesinne, gehören die Poesien Margarete Beut-
lers an. Jhr Gefühlsleben spricht von einem Jch, das außerhalb seines
engeren Dunstkreises sich noch wenig von der Welt zu eigen gemacht
hat; ihre stark betonte Sinnlichkeit ist nicht „frei", sie windet sich ge-
drückt in Krämpfen und entzündet sich charakteristischerweise gern an
ihrem eigenen Bilde, der Anblick ihres „reifen Leibes" z. B., der ihr im
Mondlicht aus dem Spiegel entgegensieht, stachelt sie zu wollüstiger Schmer-
zensraserei auf. Jn ihren „Städtebildern" aus Dirnen- und Kinderkreisen
macht sich eine Tendenz geltend, die bis zu gewissem Grade an Baluschek er-
innert, freilich im sozialen Pathos viel weiter geht als dessen nüchterne
Zustandsbilder. Dennoch in aller Befangenheit und Verworrenheit sind auch
bei ihr „lebendige" Züge nicht zu verkennen, und nnsere Proben zeigen
sie immerhin auch auf „höherer Warte". — Ruhiger aber auch reifer und
reicher zeigt sich Agnes Miegel. Jhre Naturliebe führt sie, merklich beeinflußt
von Storm, zu Schilderungen voll feiner und inniger Beobachtung. Jhr
seelisches Empfinden rührt an weitere Lebensprobleme, wenn man dabei
auch nicht an die nrsprüngliche Kraft etwa der Droste-Hülshoff denken darf.
Am glücklichsten scheint uns Agnes Miegel in der Ballade zu sein, wenn
sie Sagenstoffe behandelt, wenn sie ins Gebiet des Träumerischen und
Phantastischen schweift und den Gestalten weichere weibliche Seiten ab-
gewinnen kann, wie in der „Agnes Bernauerin" z. B., und in „Schöne
Agnete". — Lulu von Strauß-Torneys Lieder sind vor allem Zeugnisse eines
warmen und gesunden Jnnenlebens. Jhre Balladen entnimmt sie mit Vor-
liebe dem Leben deutscher Ritter und Bauern; aus diesen Balladen dringt,
wenn es ihr gelingt, sich knapper zu fassen, in der Tat etwas von dem
kräftigen Ton des „Märengesanges".

Die Gedichte vou M. Beutler sind bei M. Lilienthal, Berlin, die von
A. Miegel bei Cotta, die von L. v. Strauß-Torney bei Herm. Seemann Nachf.
Berliu erschienen. L

Geckickte von s^argarele keuller

Aus: Mein Freund

Lkun löse von der Seele
Des Alltags Lisenband,

Das Land, das ich dir zeige,

Das ist ein heilig Land.

Runstwart XVIII, 20
 
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