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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 10 (2. Februarheft 1906)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0702
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die ästhetische Kultur der Massen
wirksam beeinflussen wollen.

L Äalkschmidt
Kunstwart-Unternch-
mnngcn

Neu erschienen ist soebeu wieder
eine Folge der „Meisterbilder", sic
enthält: Blatt löf: Gräfin Potocka,
s52: van Dyck, Prinz Wilhelm von
Oranien, fSS: Michelangelo, Dic
Erschafsung von Sonne und Mond,
Botticelli, Der Frühling, f55:
Murillo, Der hl. Antonius mit
dem Christuskind, s56: Jan Hak-
kaert, Die Eschenallee.

A Vom alten Johannis-
friedhofin Leipzig
erzählen fünf kleine Bilder am Ende
dieses Hefts. Wir bitten dich, lieber
Leser, sieh dich in sie hinein, bis
das Papier wegschwindet und zu dir
das Leben heraustritt, das hier aus
dem Tode erwachsen ist und als
Geschenk aus seinen Tiefen friede-
volle Ruhe in deinen Alltag hebt.
Um die, deren Reste hier „ein-
getrunken wurden von Busch und
Strauch", fließen ja die Tränen schon
lange nicht mehr. Es sind manche
darunter, bei deren Namen uus große
Erinnerungen oder erhebende Ge-
danken traurig oder heiter um-
schweben: Käthchen Schönkopf liegt
hier, auch Richard Wagners Mutter,
seine edle älteste Schwester, und von
weitbekannten Mäunern Johann Ro-
senmüller, Adam Friedrich Oeser und
Christian Felix Weiße, dann Mahl-
mann, Herloßsohn und Roderich Be-
nedix, Grassi, der Kunstsreund, und
wieder eine Frau Mariaune Pauline
Mende, die Kunstfreundin — wan-
delst du hier, so weht von einem jeden
solchen Namen her durch die hun-
dertstimmig den Ort umflüsternde
Elegie vom allgemeiueu Geschick
auf Augenblicke ein feiner beson-
derer Hauch. Gebilde von Menschen-

hand stehen um dich und sehen dir
zu, Kränze und Urnen, Gräber und
Hallen, manche gar kunstvoll, zumal
im Gitterwerke, manche absonder-
lich, manche ganz schlicht, die einen
noch kräftig im Trotze gegen die
Zeit, die andern schon umsponnen
von den Armen der Natur oder
langsam hiusinkend in ihren Schoß.
Es ist schön hier im Winter, wie
unsrc Bilder das zeigen, abcr wie
erst im Frühliug, wenn das Lebcn
so tausendfältig ausblüht und auf-
singt überm Tod, wie iu kcincm
noch so schönen Garten je! Und
im Sommer, wenn unter dichtcm
Schattendach die Bäume dcn Vögeln
zum Dank die Früchte reichen!
Und im Herbst, wenn alles mit-
sammen das Abendrot des Jahres
übergoldet! Es ist freundlich auch
dann, denu gerade hier sagt ja
das Leben mit reichster Fülle, daß
alles ein Kreislauf ist.

Und diese Jdylle lvebt ihre
grünen Netze mitten in der Stadt,
mitten im Arbeitstreiben, mitten im
„Geschäftsviertel". Welchc zweite
Stadt in ganz Deutschland hat das
Glück, eine solche Einkehr- und Aus-
ruhstelle der Seele nahe am Mittel-
punkt denen bieten zu können, die
vielleicht nur eine halbe Stunde
zur Erholung freihaben?

Wenn man einmal die Zeug-
nisse sammeln wird, die andern Ge-
schlechtern dcn Tiefstand dcr üsthe-
tischen Kultur unserer Zeit be-
weisen sollcn, so wird man unter
die erstaunlichsten davon eine Ein-
gabe einreihen, die Lcipziger Haus-
besitzervereine wegen dieses Johan-
nisfriedhofes kürzlich an den Nat
gerichtet haben. Denn es ist nicht
etwa eine, dic für ein solches Kleinod
um den möglichsten Schutz bittet.
Es ist eine Eingabe, die um seine
Zerstörung bittet, nntcr der Form
der Verwandlung in einc Park-
anlagc. Und daß andre Teile

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Äunstwcirt XIX, sO
 
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