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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,4.1908

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Heft 24 (Zweites Septemberheft 1908)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7707#0441

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Von der Sprache

Verhältnis zn seinen Hörern zu
gewinnen, und freute sich, wenn
sie ihn am Freitag Nachmittag
in seiner Sprechstnnde besuchten.
Auch entging seinem weltkundigen
Blick die „monetäre" Lage seiner
Hörer nicht, und mancher arme
Student bekam am Schlusse des
Semesters durch die Universitäts-
kasse das Kolleggeld von Herrn
Professor Paulsen zurück mit dem
Vermerk: er solle dafür eine kleine
Neise machen.

Wie im Kleinen, so wirkte er
im Großen. Man weiß, daß Paulsen
eine sehr geschätzte Persönlichkeit
im Kultusministerium war; man
kennt seine Stellungnahme zu
wichtigen Fragen des öffentlichen
Lebens. In allem, was er tat
und ließ, kam zweierlei zum Vor-
schein: die FLHigkeit, die
Dinge so zn sehen, wie sie
sind, und der Wille, sie
so nmzugestalten, wie sie
sein sollen. Diese durchaus
praktische Natur seines Auffassens
und Wirkens dankte Paulsen seiner
tzerkunft und Erziehung. Er war
der Sohn eines Schleswiger Groß-
bauern, und war hinter dem Pfluge
einhergeschritten, ehe ihm der
„Staat" Platos zu Gesicht gekom-
men war. Er hatte seincr mili-
tärischen Dienstpflicht genügt, und
damit eine Schulc der Selbstbe-
herrschung nnd Volkskenntnis durch-
gemacht, die keinem erlassen wer-
den sollte, der umgestaltend
ins öffentliche Leben eingreifen
will. Auch in seinen Lehrerberuf
war er nicht ohne Kampf hinein-
gekommen. Sein Vater hätte gern
gesehen, daß sein einziger Erbe den
schönen Hof übernommen hätte, und
wollte diesem Wunsch nur ent-
sagen gegen die Gewißheit bedcu-
tender Leistungen seines Sohnes
in dem gewählten Berufe. So be°
schloß er eine Feuerprobe und bat

den Pastor, der seinen Sohn unter-
richtete, er solle diesem so viel zu
arbeiten geben, daß er entweder
zusammenbräche oder in kurzer Zeit
Bedeutendes vor sich brächte. Da
das letztere geschah, gab der Alte
sich -zufrieden.

So Hat Paulsen, als ein vom
Schicksal ausgeschmiedetes Werkzeug
mit wissendem Geist nnd reinen
Händen gewirkt. Nun aber der
Tod dem lieben baumeisterlichen
Mann Bnch und Griffel aus dcn
Händen genommen hat, was sollen
wir ihm nachrufen? Er zitierte
ja Goethe so gern — gefallen dem
Bildner von Menschenseclen die
Verse, in die Goethe „Künstlers
Apotheose" ausklingen läßt? Sie
lauten:

„So wirkt mit Macht der cdle Mann
Iahrhunderte auf Seinesgleichen:
Denn was ein guter Mensch er-
reichen kann,

Ist nicht im engen Raum dcs Lcbens
zn erreichen.

Drum lebt er auch nach seinem
Tode fort

Und ist so wirksam, als er lebte;
Die gute Tat, das schöne Wort,
Es strebt unsterblich, wie er sterb-
lich strebte.

So lebst auch du durch ungemeßne
Zeit;

Genieße der Ansterblichkeit!"

Friedrich Kuntze

Esperanto

urch dic internationale Esperanto-
tagung in Dresden ist uns diese
jüngste Universalsprache recht in die
Nähe gebracht worden. Das ist ganz
gut, denn seit dem Versagen des
Volapük sind wir in Deutschland
vielleicht etwas zu skeptisch, und
gar zu schnell fertig mit dem Wort,
wo es sich um den Versuch zur
Schaffung eines solchen universellen
Hilfsmittels schneller Verständigung
handelt. Die allgemeine Weltlage

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