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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,4.1908

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Heft 24 (Zweites Septemberheft 1908)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7707#0440

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in diesem Iahre nicht auf den Fischfang. Die Leute meinten auch,
nach diesen Lrlebnissen wäre er manchmal von etwas wunderlicher Art.

Auf das Meer wollte er nicht wieder hinaus — er hatte den See-
schreck bekommen. Er heiratete das Lappenmädchen und zog hinauf
nach Malangen, wo er sich ein Rodeland erwarb und wo er jetzt lebt
und sich gut steht.

Rundschau

Friedrich Paulsen

riedrich Paulsen, der zur Trauer
derer, die ihn liebten, von der
Erde einen solch qualvoll-schweren
Abschied nehmen mußte, ist vor
allem ein großer Künstler ge-
wesen; ein Künstler, der gebildet
hat, wie weiland Meister Sokrates,
nicht in Stein oder Erz, sondern
in jungen Menschenseelen.
Man tut Paulsen geradezu unrecht,
wcnn man fragt: wie viele neue
Wahrhciten dankt ihm die Wissen-
schaft, die er als ordentlicher Pro-
fessor vortrug? Paulsen war kein
Baumeister neuer Theorien und
wollte keiner sein. Man frage:
Wie viele von den großen alten
Wahrheiten seiner Wisscnschaft, die
so dalagen, durch tote Drucker-
schwärze auf totes Papier gebannt,
hat Paulsen aufcrstehen lassen in
den Herzen derer, zu denen er
geredet hat? Und man wird ant-
worten müssen: er hat aus dem
Schatz, den er verwaltete, den die
Menschheit in Iahrtausenden auf-
gesammelt hat, Hunderten von
Gcistlichen, Arzten, Beamten ihre
Weltansicht gegeben, er hat in die
Herzen von Tausendcn von Lehrern
eincn idealistischen Halt eingesenkt,
dnrch dcn ihr besseres Selbst vor
dem Ertrinken in der Korrigier-
tinte bewahrt worden ist, er hat
an den Idealen, die die Geschichte
der Philosophie in mühsamem
Ringen ausgebildct hatte, die sitt-
lichen Erfolge der Gegenwart ge-
messen, er hat seine Zeit ihre

2. Septemberheft ML

Fehler sehen gelehrt im Spiegel
der Ewigkeit.

Paulsen war Niederdcutscher,
folglich nicht „geistreich", im Gegen-
teil, er verachtete diese billige Kunst
von ganzer Seele, und mied ab°
sichtlich alles Pointierte der Ncde.
Trotzdem zog er gerade die Iugend,
die ersten Semester in seinen Bann-
kreis. Woher das? Nun, der junge
Mensch bemerkte wohl, daß Paulsen
seinen „geistigen Habitus« nicht zu°
fällig an sich hatte, wie ein Kleid,
an dessen Stelle er auch ein an-
deres hätte anhaben können, ncin,
er hatte das Gefühl: all das, was
der Mann dort sagt, kommt aus
seinem innersten Erleben
heraus,- er trägt gelebte Lehre vor.
Auch Lltere und alte Leute gingen
gern immer einmal wieder zu ihm
hin, weniger um etwas Neues mit
nach Hause zu nehmen, als um
abermals wiedcr das so seltene
Gefühl zn haben: du bist mit
einem klugen und gütigen Mann,
einem Charakter ohne Fehl zu°
sammen gewesen. Paulsens inner-
stes Wesen bestimmte auch seinen
Vortrag. Hier war er nicht eigent-
lich „Redner", wcnn man darunter
einen Mann verstehen will, dessen
Geschäft es ist, zu überzcugen, zu
begeistern, fortzureißen — ihm eig-
nete nur eine schlichte Eindring-
lichkeit, die nichts war, als die
Form der Sache selbst. So sprach
cr nie übcr sein Auditorium hin-
aus, sondern in sein Auditorium
hinein, er suchte ein persönliches

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