Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1931)
DOI Artikel:
Diesel, Eugen: Grundsätzliches zum Thema "Wirtschaft"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0119
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
mschen Gründen können also dre WirLschasLskräsLe si'ch steigern, kann sich der
Waren- und Geldverkehr verslüssigen und mannigfach verschränken. In ge-
wissen Situationen des Handels wird man immer daraus geraten, das Kredit-
sysiem auszubauen, bargeldlos zu verrechnen und aus diese Weise das Geld-
wesen möglichsi zu absirahieren und zu verslüssigen. Allmählich entsieht ein
unablässiges, sehr kompliziertes Spiel zwischen greisbaren Werten und händ-
lerischen Fiktionen. Ie absirahierter aber das Geld ist, um so leichter (dis-
ponibler!) wird es von der Phantasie bewegt, um so leichter kann man aus
Konsiellationen und mißbrauchten Gesehen aus unproduktive Weise Vermögen
errassen (Börsenspekulation!). Die Menschen müßten anders sein als sie
sind, wenn nicht die in mancher Hinsicht so nüHliche Abstrcchierung des Geldes
zu allerhand Wirtschastsgreueln sühren sollte. Die Entwicklung der Er-
scheinung, die man etwas summarisch Kapital und Kapitalismus nennt, hängt
aus das engste sowohl mit deu souveräuen Möglichkeiten des begrisslich ge-
wordenen Geldes als auch mit den hieraus im Guten wie im Bösen sich er-
gebenden psychologischen Lockungen zusammen.

Solange das maschinenlose Handwerk die herrschende Produktionssorm ist,
ergeben sich immer heilsame Schranken gegen ein übermäßiges Abstrahieren
und Schwanken des Geldes. Immer noch wiegt dann der kleine übersicht-
liche Produktionskreis vor, der sich zum großen Teile in sich selbst schließt,
der bei weitem nicht so konjunkturempsindlich ist wie das lausende Band. Bis
ins 16., ja ins ig. Iahrhundert hinein leben die meisten Menschen in recht
patriarchalischen, wenn auch bescheidensten Berhältnissen. Ihr Alltag ist
wenig von dem beweglicheren Handelswesen berührt, das sich aus einige klei-
nere Kreise der Städte beschränkt. Die Verkehrsmittel sind unzulänglich, die
Seehäsen selbst des Weltreiches Rom winzig im Bergleich zu den unsern.
Ware und Mensch bewegen sich seltener und langsamer als jeHt. Die Nkach-
richtenmittel greisen nur in den weuigsten Fällen über die Provinzen und
Städte hinaus. Rkoch liegt kein „Geldschleier" über dem Planeten, der, wie
heute, uns wie der Schleier der Maja das wahre und einsache Gesicht der
Dinge trügerisch umhüllte. Was iu srüheren Iahrhunderten in ciniger Hin-
sicht etwa unserem Kayital, unserer Fabrik gleicht, das bleibt, gemessen an
unseren Verhältnissen, doch eine recht provinziale 2lngelegenheit.

Sobald die modernen Nkaschinen zu arbeiten beginnen, wird die geschlossene
2lrbeikszelle zersprengt. Wenn die Verslüssigung des Wirtschastsprozesses srüher
vor allem mit dem Handel zusammenhing, so bewirken die Maschinen und
Verkehrsmittel nunmehr auch die schrankenlose Verslüssigung desPro-
duktionsprozesses selbst. Der abstrahierte organisatorische Gedanke dehnt
sich mehr und mehr auch aus den Produktionsprozeß aus. Die moderne Pro-
duktion beruht ja aus der Verbindung der 2l r b e i t s maschine mit der
Krastmaschine und aus der organisierten Hiueinbeziehung des NTenschen in
die maschinellen Bedingungen des neuen Produktionsprozesses. Die Nkaschi-
nerie kann beliebige Zeit hindurch mit beliebiger Krast in Funktion ge-
halten werden. Das Nkaß der Produktion ist also nicht mehr von physischen
und unmittelbar aus dem Leben und dem gegebenen Haushalt des Nkenschen
bestimmten Umständen geregelt, sondern vom Willen der Nkaschinenherren
und von den Tücken des Verrechnungswesens abhängig. Iedensalls aber
 
Annotationen