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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

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Heft 9 (Juniheft 1932)
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Strieder, Jakob: Geld als Macht
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0620
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SilLers, der sich seit den ersten Iahrzehnteti dee 16. Icchrhunderts aus Llmerika
über die Pyrenäenhalbinsel ergoß, nicht zum Besten, sondern zum Schaden sei-
ner VolkswirtschafL gediehen. Nür zu der gewaltigen politischen Machtentfal-
tung Spaniens im 16. Iahrhundert und im beginnmden 17. Iahrhundert trug
das Edelmetall seiner amerikanischen Kolonien ganz wesentlich bei. Wir können
uns — im Zeitalter Karls V. und Philipps II. — das Ringen Spaniens um
die fuhrende politische Stellung in dem europäischen Staatenleben gar nicht
vorstellen ohne das amerikanische Gold und Silber. Mit diesem Machtmittel
wurden die Söldnerheere Spaniens bezahlt, die in so vielen Teilen Europas
kämpften. Mit diesem Machtmittel wurden vielfach diplomatische Siege erfoch-
ten. Mit Hilfe von Hilfsgeldern, von sogenannten Subsidienzahlnngen, ver-
mochte der geldmächtige, wenn LroHdem auch immer geldbedürftige spanische
Staat viele der übrigen europäischen Staaten vor den Wagen seiner Politik
zu spannen und in seine Kriege hineinzuziehen.

Das System der Subsidien — von den Geldreichtum besiHenden Staaten
Europas seit dem Beginn der Meuzeit immer mehr ausgebildet — hat in Eng-
land seinen Höhepunkt erreicht. Kaum irgendwo tritt das Geld als Macht-
faktor in polittscher Beziehung unmittelbarer und offensichtlicher in Erscheinung
als in dem englischen Subsidiensystem, das in einem viele Iahrhunderte dauern-
den Llusbau schließlich als ständige Erscheinung auftritt und eine geradezu
meisterhafte Handhabung erfährt. Gewaltige Subsidiengeldbeträge ließ Eng-
land schon im Beginn des 16. Iahrhunderts seinen kontinentalen Bundesge-
nossen über die Antwerpener Börse durch die Hochfinanz jener Zeit zuweisen.
Das 17. und 18. Iahrhundert ist die Zeit der Hochblüte des englischen Sub-
sidiensystems, aber am glänzendsten ist es in der napoleonischen Zeit gehandhabt
worden. Damals galt es, sicher und billig, d. h. ohne allzu großes Fallen des
Kurses des englischen Pfundwechsels, Geld in Massen an die englischen Bun-
desgenossen auf dem Kontinent zu überweisen. Es ist bekannt, welche Rolle
bei dieser gewaltigen Finanzoperation, die, ins Politische übersetzt, die Be-
siegung ITapoleons hieß, das Haus Rothschild gespielt hat.

Die großen Kapitalanlagen der Reichtum besiHenden europäischen Staaten im
Ausland sind für das 19. und 20. Iahrhundert in gewissem Sinne eine Fort-
setzung des älteren Subsidiensystems. Auf jeden Fall sind sie ein großes Be-
tätigungsfeld des Geldes als Macht in politischer, allerdings fast noch mehr in
wirtschaftlicher Beziehung geworden. Sprechen wir zunächst von den Kapital-
anlagen im Ausland als Machtmittel im wirtschaftlichen Kampf der
Rdationen. Für die großen wirtschastlichen Eroberungen, welche die Industrie-
staaten des 19. Iahrhunderts auf dem ganzen Erdball gemacht haben und noch
immer machen, ist die Hergabe von Geldmitteln in verschiedener Form das
gebräuchlichste Machtinstrument geworden, um die Konkurrenz anderer Industrie-
ßaaten ganz oder wenigstens Leilweise zu beseitigen. Rkamentlich England,
Frankreich und Deutschland haben sich auf diese Weise in den leHten Iahr-
zehnten des 19. Iahrhunderts betätigt. Weitaus die größten Kapitalmengen
gingen bis zum Iahre 1914 von London aus in alle Welt. Im Abstand folgtm
dann Paris und Berlin als zweiter und dritter KreditplaH der Erde. Die
Vereinigten Staaten sind im großen Stil erst seit dem Ende des 19. Iahr-
hundetts dem Beispiel der Europäer gefolgt, die Geldausfuhr als wirtschafts-

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