Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1932)
DOI Artikel:
Strieder, Jakob: Geld als Macht
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0621

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
politisches Machtinstrument zu gebrauchen. Hauptsächlich nach Zentral- und
Südamerika, aber auch nach Kanada und Ostasien wies die amerikanische Geld-
macht der Volkswirtschaft des Landes den Weg. Besonders seit dem Weltkrieg
ist bies der Fall. Die Kriegsgewinne der Amerikaner wurden zum nicht ge-
ringen Teil in Südamerika in praktischer volkswirtschaftlicher Geldmacht-
politik investiert, d. h. angelegt. Erne beträchtliche Anzahl neu in den genannten
Ländern gegründeter nordamerikanischer Bankinstitute sorgte für die Stärkung
des amerikanischen Wirtschastseinslusses. Diese Banken gewähren den süd-
amerikanischen, den kanadischen, den ostasiatischen Firmen mit Hilse der riesigen
nordamerikanischen Geldvorräte Kredite in starkem Ausmaß. Das verarmte
Deutschland kann hierbei in keiner Weise konkurrieren. Offensichtlich ist unsere
Unfähigkeit, den südamerikanischen oder sonstigen Abnehmern unserer Produkte
Geld vorzuschießen, zu kreditieren, der Hauptgrund, weshalb wir den kürzeren
ziehen in einem KonPirrenzkampf, der an dieser wie an mancher anderen Stelle
der Erde zu einem wirtschaftlichen Geldmachtkampf geworden ist.

Nün hieße es aber die Dinge viel zu eng sehen und besonders die überall vor-
handenen Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Politik verkennen, wenn
man die Kapitalanlage im Ausland nur unter denr Gesichtspunkt „Geld als
Macht in wirtschaftlicher Beziehung" ansehen wollte. Vielmehr liegt hier
auch ein Beispiel für die Gedankenreche „Geld als Macht in politischer Be-
ziehung" vor. Man darf nämlich nicht glauben, daß die Ersparnisse der reichen
Völker an die übrigen I^ationen nach einem allein wirksamen Wirtschafts-
prinzip immer dorthrn fließen, wo sie die größte Rente bringen. Gewiß spielt
auch das Rentabilitätsmoment, das wirtschastliche Element eine wichtige Rolle
bei dem Kapitalexport, bei der Kapitalanlage im Ausland. Aber dazu ist dieses
Problem doch auch ein eminent politisches Problem. Und nicht selten hat im
geschichtlichen Verlaus dieser Dinge die Politik über den wirtschaftlichen Ratio-
nalismus gesiegt. Wie oft haben z. B. die Frarrzoserr im Verfolg der franzö-
sischen Ostpolitik den Russen große Teile ihrer Ersparnisse zur Verfügung
gestellt, obwohl sie sicherer und vorteilhafter in Deutschland hätten unterge-
bracht werden können! Oder erinnern wir uns, wie stark England seine Kolo-
nien durch den nachgiebigsten englischen Kapitalexport bevorzugt hat! Gewaltige
Geldmittel sind von London aus in das britische Kolonialreich gegangen. Das
geschah zu so niedrigen ZinssäHen, wie sie die Kanadier oder die Australier
oder die Südafrikaner nirgends sonst bekommen hätten. Mit goldenen Ketten
sollten die Kolonien an das Mutterland geschmiedet werden.

2luch in Deutschland lernte man einsehen, daß wir uns der Macht des Geldes
in der Form von Kapitalanleihen im Ausland zu außenpolitischen Zwecken be-
dienen müssen. Es ließe sich eine ganz große Menge von Beispielen anführen,
die beweisen, wie auch die deutsche Außenpolitik den Kapitalerport benützt hat,
um weltpolitische Ziele zu erreichen. Ob es sich um Kapitalerport nach Äster-
reich, nach Italien, nach einzelnen Balkanländern, zeitweise auch um Kapital-
export nach Rußland oder dem Orient handelt, überall ist das außenpolitische
Moment bei dieser Handhabung des Machtinstrumentes Geld von hervorra-
gender Bedeutung gewesen.

Wie problematisch und schwer zu beantworten die Frage des Zusammenhangs
zwffchen Kultur und GeldbesiH eines Volkes, zwischen kultureller Macht und

547
 
Annotationen