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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1932)
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Strieder, Jakob: Geld als Macht
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0622

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Geldmacht erner Naüon ist, kann am besien an einer Gegenübersiellung zweier
ZeiLalter höchfier deutscher Kultur und ihrer jeweiligen, ganz verschieden gearte-
ten wirtschaftlichen Grundlügen aufgezeigt werden. Unzweifelhaft fällt in die
leHLe Hälfte des 15. und in die erste Hälfte des 16. Iahrhunderts eine Epoche
der Hochblüte deutscher Kunst. Es genüge, die großen Namen Albrecht Dürer,
Mcrtthias Gcünewald, Hans Holbein d. I. und d. A. zu nennen, um diese
ganz große Zeit deutscher Kulturhöhe vor unserem geistigen Auge aufsieigen zn
lassen. Mit diesem Zeitalter höchsier künstlerischer deutscher Kultur fällt eine
Epoche außergewöhnlicher deutscher Wirtschaftsleistung und daraus hervor-
gehender Geldmacht zusammen. Das deutsche Bürgertum erscheint als das
reichste Europas noch nach der Mitte des 16. Iahrhunderts.

Wie in dieser Weise während der ersten Hälfte des 16. Iahrhunderts kul-
Lurelle deutsche Macht mit deutscher Geld- und Wirtschaftsmacht zeitlich
zusammenfällt, so können wir seit der zweiten Hälfte des 16. Iahrhunderts auch
einen annähernd gleichzeitigen Übergattg zur kulturellen Ohnmacht und zum
wirLschaftlich-geldlichen Verfall in Deutschland feststellen. Nach der Mitte
des 16. Iahrhunderts ist die deutsche Kunstblüte der Dürerzeit dahin. Kein
Genie mehr, kaum mehr größere Talente begegnen uns unter den deutschm
Künstlern. Wenn sich iu der zweiten Hälfte des 16. Iahrhuuderts die reichen
deutschen Bürger oder auch die deutschen Fürsten maleu lassen wollten, dann
mußken sie Niederländer oder Italiener herbeirufen. Ähnlich war es in anderen
Zweigen der Kunst. (Ztatt deutscher Musiker ziehen italienische wie Orlando
di Lasso an den Fürstenhöfen ein. Unverkennbar geht schon in den lehten
Iahrzehnten des 16. Iahrhunderts diesem kulturellen Verfall ein wirtschaft-
licher zur Seite. Es Lreten jeht vielfach italienische Finanzmänner an
Stelle der süddeutschen in der Finanzgebarung der deutschen Kaiser und Könige
hervor. Die Geldmacht der Deutschen begann in den letzten Iahrzehnten des
16. Iahrhunderts immer stärker zu zerrinnen. In den europäischen Staats-
bankrotten jener Zeit hatten die süddeutschen Kaufleute viele Millionen Gold-
gulden eingebüßt. Die von den Deutschen beherrschten Bergwerke Europas
waren nach und nach unergiebiger geworden. Im Vergleich mit dem reichen
Bergsegen des spanischen Amerika, der erst um die Mitte des 16. Iahrhunderts
voll einsehte, im Vergleich mit diesen amerikanischen Riesenförderungen kommt
die Ausbeute Mitteleuropas nicht mehr bedeutend in Betracht. Der Dreißig-
jährige Krieg, der vielfach als Ursache des deutschen Reichtumverfalls angesehen
wird, hat an der wirtschaftlichen Zerstörung nur das vollendet, was schon in
den vorausgehenden Iahrzehnten begonnen worden war.

Es wäre nun eine reichlich oberflächliche Betrachtungsweise, wenn rnan Blüte
und Verfall der deutschen Kunst und Kultur im 16. Iahrhundert in ursächliche
Verbindung mit der gleichzeitigen Hochblüte und dem annähernd gleichzeitigen
Verfallsbeginn der deMschen Geldmächte bringen wollte. Gewiß hat sich auch
damals schon das Geld als Macht in kultureller Beziehuug dadurch bewiesen,
daß die bürgerlichen Reichtumsbesiher neben den alten feudalen Mächten, der
Kirche und dem Adel, als Auftraggeber der Künstler eine wachsende Rolle
spielten. Man braucht nur den Dürerschen Briefwechsel oder das Tagebuch
seiner niederländischen Reise zu lesen, um zu erkenneu, was beispielsweise für
diesen größten deutschen Maler eine für Kunst empfängliche Kaufmannschaft

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