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Kunstwart und Kulturwart — 34,2.1921

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1921)
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Fuchs, Emil: Freie Liebe
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https://doi.org/10.11588/diglit.14433#0162

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müsseri wir arbeiten, neugeftalten, suchend neubilden, damit die Gemein-
schaft dem sich ändernden und wandelnden Wesen entspricht, damit jedes
umsaßt wird und jedes ganz Raum darin hat für seine Art nnd jedes für
seine schöpferischen Kräste. — Wiedernm ist hier die rechte Familie eine
Gestalterin allerhöchsten Menschentums. Nie wird der das Schöpferische
auch aus seinen zartesten Innerlichkeiten lösen und wirken lassen, der dies
nicht hat, dem der Wille fehlt, aus dem allgewaltigsten Lebensbunde eine
dauernde Lebensgemeinschaft zu gestalten.

Allerletzte, wundervollste Wesenswirklichkeiten erstehen dem Menschen
hier. — Nehmt es nicht so leicht, sie wegzuwerfen, weil ihr ihre Größe und
die Vollendung des Menschentums darin noch nicht geschaut habtl
^>hr lächelt oder lacht. Das soll die Ehe sein? Wir kennen sie leider
Oganz, ganz anders: als ein träges Gewohnheitstum und Sklaventum,
als die öde zweier Menschen, die aneinander faul oder müde geworden sind.

Ist das die Ehe — oder sind das diese Menschen? Was wäre jeder dieser
Menschen, wenn er sein Leben gestaltet hätte in der freien Liebe? — Men-
schen, wenn ihr fürchten müßt, daß euer Geist sich fesseln läßt in Trägheit
und Faulheit — dann ist euch weder mit Lhe noch mit Freier Liebe, sondern
eigentlich nur durch Selbstmord zu „helfen". — Wem aber das letzte Ziel
wirklicher Menschengestaltung im tzerzen lebt, den binden die Armselig-
keiten nicht, der schreitet zum wirklichen Ziel, weil seine Seele Wille und
Leben ist und nicht Lahmheit und tzalbheit. Aber um die letzte Lebens-
gestaltung zu finden, soll man sich sein Bild nicht machen aus dem Ge-
gensatz gegen die Armseligkeit. Nnd das gerade ist der Fehler vieler:
tzier sehen sie die arme Philisterhaftigkeit. Also bilden sie sich ein Gegen-
stück dazu, ohne zu bedenken, daß die arme Philisterhaftigkeit oft nur der
Widerglanz letzter großer Ideale und Lebensgestaltungen in zerbrochenen,
unfähigen Seelen ist. Nun gilt es ntcht nach der andern Seite davonzu-
laufen, sondern durch die Armseligkeit hindurch das Große zu sehen, das
dort steht, von Ganzen gefunden war und immer wieder wird, wenn es
auch hier nicht zu Verwirklichung kommen konnte.

>»*nd wozu die ganze Ehegesetzgebnng des Staates? Wozu der Zwang
^zusammenzubleiben, wenn keine Ehe mehr ist? — Ia, es ist viel Nnwür-
diges und Nnmögliches in der Ehegesetzgebung und wir wollen alle daran
wirken, daß es aus ihr verschwtndet. Da aber der Staat für alle mensch-
lichen Lebensverhältnisse Formen schaffen muß, in denen sie ihren Schutz
und ihre Anerkennung in der Volksgemeinschaft finden, so muß er in
seiner Gesetzgebung der Tatsache Rechnung tragen, daß die sexuelle Men-
schengemeinschaft in der Ehe diejenige Gestaltung gesunden hat, die von
der Mehrheit seiner Bürger als höchste Gestaltung des sexuellen Verhältnisses
anerkannt wird. Iene Heuchelest als sei Ehe die einzig vorhandene Form
ehelicher Gemeinschaft, die mit ihr verbundene Verachtung des unehelichen
Kindes, seine Entrechtung usw., alles das freilich wollen wir unbedingt
überwinden. Aber bis jetzt würde der Staat einfach lügen, wenn er bei
seiner Gesetzgebung von andern Tatsachen ausginge, als dieser: daß die,
welche überhaupt mit sittlichem Ernste diese Fragen anfassen, in ganz
überwiegender Zahl die Ehe als die sittlich zu fordernde sexuelle Gemein-
schaft annehmen. Von hier aus gestaltet er nun seine Gesetze, die ja nur
dann in Tätigkeit treten, wenn zwei Menschen, die in solche Gemeinschast
traten, sich nicht mehr allein miteinander über die Forderungen verstän-
digen können, die sie aneinander haben, oder wenn die innige Gemein-
 
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