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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Rebensburg, Heinrich: Dorf und Landschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0872
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DORF UND LANDSCHAFT. VON und Serade der Sitz des Usurpators weckt in
HEINRICH REBENSBURG.*) unS ,ein Jebhaftes Wohl gefallen. Es ist ein

simples .Bauernhaus, seitab Stall und Scheune,
Wandern wir hinaus, über Land! — Obst- und Gemüsegarten, wie es im Dorfe viele
Unser Weg führt durch waldiges Bergland; wir gibt, ohne daß das einzelne uns zu verweilendem
sind allein mit der Natur, freuen uns der bunten Anschauen nötigte. Doch die Vereinzelung
Herrlichkeiten, die die freigebige Schöpferkraft macht es dem Auge hier betrachtenswert, und
der Allmutter um uns ausbreitet, und genießen der rastende Blick findet sein Ergötzen an den
die ungetrübte Echtheit aller Formen und Farben. schlichten Umrißlinien, am klaren Ausdruck
Alles ringsum ist geworden und gewachsen ohne statischer Gesetze in seinem Aufbau, an den
fremden Zwang — in reiner Entfaltung ureigenster gediegenen, unverkünstelten, wohlabgemessenen
Kraft, gehemmt nur durch die Fülle nachbar- Verhältnissen der Teile zum Ganzen und zuein-
lichen Lebens, das aus gleicher Kraft sein Wesen ander; und unsern Geist ergötzt es zu sehen,
aufs beste zu entfalten strebt: das Bild einer mit wieviel Vernunft die Schätze und Erzeug-
unendlichen, aus unzählbaren Daseinskämpfen nisse des Bodens bei der Konstruktion des Hauses
zauberhaft sich einigenden Harmonie. — Da verwendet sind, mit wie tiefer Kenntnis und
kreuzt eine Wagenspur unseren Pfad, wir folgen weiser Berücksichtigung der eigenartigen Kraft
ihr, vor uns lichtet sich der Wald und macht jedes Materials; wie so aus den organischen
halt an einer harten, unnatürlich geraden Linie: Darbietungen der Natur ein ganz neues, syste-
Das Bildwerk der Freiheit, das bildende Werk matisches Gebilde von einer höheren „Richtig-
der Natur, ist jäh gestört; gerad-
linig umrissen sind aus der Ro-
dung Ackerstücke abgesteckt, durch-
zogen von langen Parallelfurchen,
künstlichen Linien also, wie sie die
Natur nicht kennt; die Knoten-
punkte der Grenzraine bezeichnen
einsame Bäume, eine Pappelzeile
folgt der Landstraße, die hart
durchs Tal schneidet; nur der Bach
darf seinen fröhlichen Lauf im
selbstgegrabenen Bett weiterplät-
schem. — Eine fremde Macht hat
eingegriffen in den göttlichen Frie-
den der Natur, hat ihr vorgeschrie-
ben, welche und wie sie Arbeit
zu leisten habe. — Zwischen Wiesen
und Äckern, mitten in der Tal senke,
liegt ein Gehöft, der Herrschertron
des Menschen, dem die Natur rings-
um sich hat unterwerfen müssen,
dem sie nun gehorcht und gehört.
Sein Haus erst ist der „Gipfel der
Unnatürlichkeit": ein derber kubisch er
Kasten, dessen Umrißkanten in harten
Winkeln aufeinand erstoßen; der
Stein des Erdbodens hat es sich
gefallen lassen müssen, behauen
und geschichtet, das Holz des Waldes,
in vierschrötiges Balkenwerk umge-
wandelt zu werden. —

Jedoch, der Anblick dieser offen-
kundigen Vergewaltigung der Natur
beleidigt keineswegs unser Auge,

*) Aus dem soeben im VerlageO. Piper & Co.,
München, erschienenen sehrbeachtenswertenBuch
„Das deutsche Dorf" von Heinrich

Rebensburg (I.Band- Süddeutschland. Mit Aus dem im Verlage R. PIPER & CO., München, soeben erschienenen Buche „Das
200 Bildern. Preis kartoniert M. 1,80) deutsche Dorf" von HEINRICH REBENSBURG

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