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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Schölermann, Wilhelm: Die fünfte graphische Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0871

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FÜNFTE GRAPHISCHE AUSSTELLUNO IN HAMBURG

bringt Erich Gruner (Leipzig) in seinem litho-
graphierten Zyklus „Tänze" (6 Blatt einzelner
Mädchen). Schinnerer, der am meisten Humor
in der Laune seiner realistischen Phantasie ver-
birgt, kitzelt unser Zwerchfell manchmal unwider-
stehlich durch seine hoch aus der Luft ins Wasser-
bassin stürzenden Jünglinge ( die Radierfolge „Der
Teich Bethesda", eine Mappe von 10 Blatt), einer
immer komischer als der andere, am komischsten
der verblüfft feierliche Ernst der dem Sturze
Zuschauenden! So sieht die Phantasie unserer
Zeit aus! Sie lächelt kaum noch. Lachen und
Weinen schon garnicht. Sie grinst.

Sehr selten, aber dann um so erfreulicher,
werden Tiermotive gewählt. „Krötenausflug" und
„Britisch Ostafrikaner" (ein schlafender Löwe)
von Gerhard Kieseritzkv (Berlin) gehören
wohl zum besten; im Farbenholzschnitt wird das
Windspiel und der rote Kakadu bevorzugt. Ganz
phantastisch dekadente Illustrationen zu „Kasar-

vina als Feuervogel", „Bolm und Nijinskv Im
Karneval" liefert Ludwig Kainer (Steglitz).
Ferdinand Hodler (1910 in Hamburg sehr
reich vertreten) hält sich diesmal zurück. Seine
Lithographien „Frühlingssehnsucht" und „Heilige
Stunde" sind genügend bekannt. Klingers Bildnis-
zeichnung des Dichters Stephan George ragt,
neben denen Greiners und der Grafen Leopold
und Johann Kalckreuth, als feinste hervor.

Das wäre das Wesentliche dieser Graphik der
Künstlerbund-Ausstellung. Freiheit und Vorurteils-
losigkeit genug. Unbegrenzte Möglichkeiten aller-
orts. Man darf alles machen, was beliebt. Dem
„Individualismus" sind keine Schranken gesetzt.
Es will mich bedünken, als wäre des Loslassens
bald genug getan. Als täte wieder etwas Bin-
dung und Begrenzung not. Etwas mehr archi-
tektonische Strenge und konstruktiver Geist
könnte nicht schaden. Vor lauter „Stilen" fehlt
es am Stil.

Aus dem im Verlage R. PIPER & CO., München, soeben erschienenen Buche „Das Deutsche Dorf" von HEINRICH REBENSBURG

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