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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Haenel, Erich: Richard Müller-Loschwitz: Maler, Zeichner u. Radierer
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0281

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ZEICHNUNG

RICHARD MÜLLER-LOSCHWITZ

RICHARD MÜLLER^LOSCHWITZ,
MALER, ZEICHNER U. RADIERER.
VON ERICH HAENEL, DRESDEN.

Die Kunstausstellung, mit der Dresden, die
berühmteste der Kunststätten zwischen dem Nor-
den und dem Süden Deutschlands, noch kurz
vor der Jahrhundertwende das Erbe ihrer Väter
neu erwarb, um es von nun an mit Fug und
Recht zu besitzen, brachte eine Auferstehung
von besonderer Art. Man ging durch die Säle,
in denen die Maler der Gegenwart ihren Kampf
um den neuen Ausdruck für die zitternden und
wogenden Helligkeiten der sichtbaren Welt in
allen denkbaren Naturausschnitten und Formaten
kämpften. Man sah die Plastiker die Anregungen
der belgischen und französischen Meister ver-
arbeiten, hier mit impressionistischer Nervosität,
dort mit leidenschaftlichem Drang nach monu-
mentaler Schlichtheit und Größe. Dort wieder
waren die Maler und Bildhauer in das Reich der
Architekten eingedrungen, die moderne Bewegung
hatte sie auf ihre breiten Schultern genommen,
und nun schwelgten sie in der Seligkeit des
Raumbildens, schüttelten von den Dingen des
Hausrates den alten Stilflitter ab und suchten
zu zeigen, wie aus dem Zweck die Form heraus-
wächst und wie das Ornamentale aus dem un-

endlichen Reichtum der natürlich gewachsenen
Schönheit neues Leben zu schöpfen vermag.
Das war die kunstgewerbliche Abteilung, wo
Dülfer und Bruno Paul, Riemerschmid und Kreis,
Berlepsch und Billing ihre Individualitäten in
den Dienst der modernen Innenkunst stellten.
In einem feierlich geschmückten Saale thronte
Max Klingers riesiges gemaltes und gemeißeltes
Credo: die göttlich leichte Luft, die „Christus
im Olymp" umspielte, atmete noch reiner und
müheloser der „Amphitrite" verstümmelter Leib,
und die „Badende" schien im Spiel ihrer schlanken
Glieder homerischer Sonne sich zu freuen.

Wer aber aus dem Chaos dieser Eindrücke
in den Saal des alten Lukas Cranach trat, der
mochte wohl dieselbe Dankbarkeit fühlen, die
der Mann hegt, welcher am Schlüsse eines an
Reizen und Gewürzen überreichen Mahles eines
Stückes deutschen Schwarzbrotes teilhaftig wird.
In der wundervollen „Ruhe auf der Flucht"
schwärmte ein deutscher Dichter von den frischen
Heimlichkeiten des Waldesinneren, in dem Bild-
nis des Kurfürsten Joachim Hektor von Branden-
burg berichtete ein gewissenhafter Historiker
von dem kraftvollen Stolz eines Landesfürsten
aus der Zeit Martin Luthers. Daneben aber
sprach leise, doch vernehmbar die sinnliche
Freude an der schönen Menschenfigur und die

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