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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Biermann, Georg: Die Greco-Bilder der Sammlung Nemes
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0444

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D

IE GRECOBILDER DER SAMM- nicht möglich ist) dem Leser selbst die Gelegen-
LUNG NEMES. VON PROF. neit darbieten, zu Grecos Kunst persönliche
DR. GEORG BIERMANN. Fühlung zu gewinnen. Dabei mögen folgende

Apostrophierungen gegeben werden:
Als eines der bedeutendsten Ereignisse künst- Grecos Persönlichkeit ist durch die Kultur-

lerischer Art, die im Rheinland in letzter Zeit geschichte Spaniens bedingt. Als Fremder kam
zu verzeichnen waren, darf man die für mehrere er inmitten des höchsten Glanzes der katholischen
Monate der Stadt Düsseldorf dargebotene Leih- Kirche nach Toledo, und diese Stadt mit ihren
gäbe der Sammlung des ungarischen Rates Marzeil seltsamen Gegensätzen einer maurisch - träume-
von Nemes bezeichnen, für die die gesamten rischen Schönheit und der Herbe ihrer letzten
Räume der traditionsreichen alten Kunsthalle Bestimmung, Bollwerk und Hochburg des trium-
neu hergerichtet waren. phierenden Glaubens zu sein, mischte auch in

Denn einmal war es der Besitz und die Qualität seine glühenden Visionen die Klänge einer er-
kunstgeschichtlich überaus bemerkenswerter Schätze, habenen Natur und eines dumpfen Empfindens
was einer öffentlichen Zurschaustellung einer solchen von der Vergänglichkeit alles Irdischen.
Privatsammlung den Stempel des Außergewöhn- Den Stil entnahm Greco der Lagune, wo
liehen ohne weiteres aufprägt, danach aber gewann vor allem die großen Lichtspender, die Tintoretto
die Budapester Galerie ein noch gesteigerteres und Bassani auf ihn gewirkt. Auch Correggios
Interesse durch die Tatsache, daß eben diese und Michelangelos Einflüsse — jenen lernte er
Sammlung im engen Rahmen die Entwicklungs-
linien jener impressionistischen Malweise auf-
zeichnet, die immer das besondere Merkmal
malerisch besonders ausgeprägter Zeitepochen ge-
wesen ist. Die Sammlung des Herrn v. Nemes
ist Piogramm und will Programm sein; denn sie
ist das Endresultat einer persönlichen Geschmacks-
steigerung, die ihr Besitzer im Laufe von zwanzig
Jahren und mehr an sich erfahren hat. Sie ist
für die rein kunsthistorische Erkenntnis ungemein
vielsagend, weil sich an ihren Werken Zusammen-
hänge und gleichartige Bestrebungen innerhalb
der verschiedenen Zeiten und Rassen konstatieren
lassen, die einem gleich eindringlich sonst viel-
leicht noch nie zum Bewußtsein gekommen sind,
und sie hat vor allem das eine unschätzbare
Verdienst, dem deutschen Publikum einmal sine
ira et studio einige der Meisterwerke jenes viel-
diskutierten Domenico Theotocopuli, genannt El
Greco vorzuführen, der über Nacht eine der
sroßen Entdeckungen der Kunstgeschichte °;e-
worden ist. Viel geschmäht von denen, die dem
Griechen niemals in Toledo (wo er zwischen
1576 und 1614 gewirkt hat) innerlich nahe ge-
kommen sind, über die Maßen vielleicht auch
von denen bewundert, die den Farbenrausch
seiner Palette in sich aufgenommen, erscheint
Greco heute dennoch als eine der vornehmsten
Phänomene der ganzen künstlerischen Vergangen-
heit, und es ist beinahe kein Zufall, daß gerade
eine Zeit, die in ihrem ganzen malerischen Wollen
so rücksichtslos voranschreitet, in den Bildern
des Griechen Werte entdecken mußte, denen
vielleicht die unvergängliche Kraft des Zukünftigen
innewohnt.

Wir wollen aber keine Propheten sein, sondern
vielmehr durch Vorführung einiger der Haupt-
stücke der Sammlung Nemes (deren Würdigung

an dieser Stelle in extenso schon aus Raumgründen Christus als pilger greco

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