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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Deibel, Franz: Stanislaus Cauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0592

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STANISLAUS CAUER.
Stanislaus Cauer, ein Mitglied der weit-
verzweigten, schon in der dritten Generation
tätigen Bildhauerfamilie, hat, ehe er vor sechs
Jahren an die Königsberger Akademie berufen
wurde, über zwei Jahrzehnte seines Lebens und
Schaffens in Italien zugebracht. Dort sind die
Wurzeln seiner Kunst zu suchen.

Neben den Eindrücken, die er in der Zeit
des Werdens von den großen Werken der
griechischen Kunst und der Renaissance emp-
fangen hat, ist ihm dort der Anschauungs-
kreis einer lang an Italien gefesselten deut-
schen Bildhauergruppe nahegetreten, in der
Ideen des Malers Hans von Marees fruchtbar
wurden. Diese Künstler, voran Adolf Hilde-
brand, dann Arthur Volkmann und Louis
Tuaillon, der seinerseits für Cauer der an-
regende Vermittler war, gingen, jeder auf seine
Weise, in den letzten Dezennien des 19.Jahr-
hunderts wieder den Weg zur Darstellung
der reinen und schönen Form, der ruhigen,
von aller Zufälligkeit der natürlichen Er-
scheinung erlösten Existenz. Sie führten
unsere Plastik von der Unruhe eines un-
klaren, barocken Naturalismus zur Ruhe, vom
lebhaft Malerischen zum eigentlich Skulp-
turalen, dem Statisch-Tektonischen.

Was Stanislaus Cauer ganz besonders in
den Anfängen seines Schaffens lose, aber
doch deutlich genug mit diesen Künstlern
verbindet, ist derselbe tektonische Zug, der
seine Skulptur beherrscht, die Neigung zu
gebundenen Linien und geschlossenen For-
men. In der Mehrzahl seiner älteren Ar-
beiten, für die der „Stirnbinder", die „Venus
mit Kamm", die edle Figur „Nach dem
Bade", das Relief „Genius" bezeichnende
Proben sind, geht der Künstler auf plastische
Ruhe, auf schönlinige Einfachheit, auf groß-
zügig geschlossene Formgebung aus. For-
male Klarheit, runder Linienfluß, Schönheit
der Umrisse zeichnen diese Arbeiten aus.
Wo sie Bewegungsmotive geben, sind es
verhaltene, [gezügelte Bewegungen, die nie
den reinen plastischen Eindruck stören.

In der Ruhe die Bewegtheit fühlen zu
lassen - diese Fähigkeit, die die Antike in
so hohem Grade besaß, ist das zumeist auch
glücklich erreichte Ziel dieser Cauer'schen
Arbeiten. r

Des Künstlers Reliefs, wie der „Genius"
oder die Wasserschöpferin, die den Schmuck
seines Wandbrunnens bildet, geben ganz im
Sinne jener formstrengen Deutschrömer be-
reits im Umriß den Eindruck des Körper-
lichen, die Anregung zur Tiefen- und

DIE KUNSTWELT II, 8

Raumwirkung. Bei seinen Freiplastiken aber
hielt Cauer schon früher nicht streng an dem
fest, was Hildebrand in der geistreichen Be-
gründung seiner Anschauungen, dem Büchlein
vom „Problem der Form", den reliefartigen
Charakter einer körperlichen Figur genannt hat,
wie der Künstler überhaupt der plastisch - tekto-
nischen Forderung nie das freie künstlerische
Empfinden opferte.

Immerhin sind seine früheren Freiplastiken
mehr auf Silhouette und Vorderansicht, also auf
reliefartige Effekte hingearbeitet als die neueren,

VENUS. BRONZESTATUETTE STANISLAUS CAUER

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