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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Wintzer, Richard: Appell an die bildenden Künstler Deutschlands
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0495

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APPELL

AN DIE BILDENDEN KÜNSTLER DEUTSCHLANDS.

Von Richard Wintzer.

Auf forderu ng
iiner Anstalt f
Rechte an den Werken der bildenden Kunst.

zur Gründung einer Anstalt für Wahrung der

Unter allen geistig Produzierenden wir
ziehen hier nur einmal die bildenden Künstler,
Komponisten und Schriftsteller in Betracht
ist der bildende Künstler der am meisten Be-
nachteiligte, wenn es sich für ihn darum handelt,
Gewinn aus dem Verkauf seiner Werke zu
ziehen. Alljährlich sehen wir an den bedeu-
tendsten Plätzen der Welt unzählige Male, wie
Werke der bildenden Kunst, die von ihren Ur-
hebern für eine mehr als bescheidene Summe
verkauft wurden, nach kaum einem halben
Menschenalter für den doppelten, ja drei- oder
zehnfachen, in manchen Fällen gar hundert-
fachen Preis weiter verkauft werden! Der
Schöpfer des Werkes aber geht bei dieser
Steigerung des Wertes und seiner Ausnutzung
leer aus; ebenso haben, sobald er nicht mehr
am Leben (welcher Umstand ja meistens die
Preissteigerung hervorruft), die Erben jeweils
das Nachsehen.

Hier muß nun der Hebel angesetzt und
endlich Abhilfe geschaffen werden, so,
daß die Urheber eines Kunstwerkes oder
seine Erben Teil haben an dem in die
Höhe geschraubten Erlös der wieder und
wieder verkauften Werke!

Obwohl oft genug über diesen Punkt ge-
schrieben und diskutiert worden ist, ward doch
noch nie positiv dahin gewirkt, dem Künstler
zu seinem natürlichen Recht zu verhelfen. Der
Schlendrian geht weiter. Erst jüngst hat die
Versteigerung der Galerie Rouart in Paris ein
eklatantes Beispiel der unhaltbaren Zustände
geliefert, die auf dem Kunstmarkte herrschen:
Ein Bild des noch lebenden Degas, für das
dieser nach eigener Aussage 500 Francs (!) er-
halten hatte, erzielte den ungeheuren Preis von

435 000 Francs! Im Laufe einiger Jahrzehnte
also hatte sich der Preis des Werkes nahezu
um das tausendfache (!) gesteigert, ohne daß
der Maler auch nur einen Sou für sein Bild
nachgezahlt erhalten hätte! (Bei etwa 10%
Anteil wären ihm aber über 40 000 Francs zu-
gefallen!) Und in den „Fällen" Millet und
Manet oder Leibi und Böcklin etc. etc. liegen
die Dinge nicht anders.

Weit voraus den bildenden Künstlern sind
die deutschen Tonsetzer geschritten, die in der
„Genossenschaft Deutsch er Tonsetzer"
und der „Anstalt für musikalisches Auf-
führungsrecht" ein lebenskräftiges Institut
besitzen, das die Komponisten und ihre Erben
in den Stand gesetzt hat, am Gewinn aus den
Aufführungen ihrer Werke, bis 30 Jahre nach
dem Tode des Urhebers, teilzunehmen.

Was die Tonkünstler fertig gebracht,
können die bildenden Künstler auch!
Sie müssen Gesetzeskraft nachsuchen
für ein Institut analog dem der Kompo-
nisten! Daß die „Händler" zetern werden -
ähnlich wie es bei den Tonsetzern mit den
Saalbesitzern und Verlegern der Fall war, die
aber heute bis auf ganz geringfügige Ausnahmen
besiegt sind — darf sie nicht im mindesten
kümmern!

Wir stellen die Forderung auf:
Der Künstler muß bei jedem Weiter-
verkauf irgend eines seiner Original-
werke einen Prozentsatz (die Höhe ist ge-
setzlich festzulegen) des Verkaufspreises
nach Abzug der ihm ursprünglich ge-
zahlten Summe erhalten, nach seinem
Tode seine Erben dreißig Jahre lang.

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