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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Waetzoldt, Wilhelm: Die Mimik des Denkens in der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0360

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DIE KUNST WELT

D

IE MIMIK DES DENKENS IN DER eines bestimmten Gedankens darzustellen, son-
MALEREI. VON WILHELM dem nur darum, die Mimik des Denkens in ihren
WAET^OLDT vielfachen Graden und Formen zu beherrschen.

~" ' Das stille Walten und Weben der Vorstellungen,

Nicht von Gedankenmalerei, die mit den ihr Verknüpfen und Trennen, das Schließen und
Mitteln der bildenden Kunst nach den Wirkungen Folgern, kurz das rein innerliche Schauspiel der
der redenden strebt, soll hier die Rede sein, Denkvorgänge entzieht sich naturgemäß der bil-
sondern davon, inwieweit das Denken selbst ein denden Kunst.

Motiv der Malerei sein kann. Damit fragen Bevor wir aus der Fülle von Denkerfiguren,
wir nach der Lösung von Sonderfällen einer die die Geschichte der Malerei aufweist, einige
ihrer Grundaufgaben. Sobald die Malerei über wenige charakteristische Beispiele herausgreifen,
die Anfänge primitiver Kunstübung hinaus- verlangt doch wohl die Vorfrage eine Ant-
schreitet, sobald sie anfängt, ihre Werkzeuge, wort: was wissen wir aus dem täglichen
Materialien und Methoden einigermaßen zu be- Leben über die mimischen Bewegungen, die
herrschen, meldet sich sich bei konzentrier-

mit Lebhaftigkeit das ^«^^ -—=—~- .■^-^ ^^^^ --yf:i *er innerer Aufmerk-

Bedürfnis, Seelisches ^vH^BI samkeit an der Ant-

zu veranschaulichen. ^_ / litzmuskulatur ab-

DiesesProblem taucht /,'ü>^"^—^*>w spielen? Die Gedan-

sowohl beim Bildnis Sftaff \ kenmimik ist zarter,

wie beim Handlungs- / s/^~"S?^ \individuell verschie-

bilde auf. Gilt es dort / m^f^lLwjr dener als die Mimik,

einer gewissen seeli- [; V|lH^^K9^Sto»«i^ die Affekte begleitet,

sehen Grundhaltung, /3ffüvSR:^V. ün^ s'e n'mmt a-s

gewissermaßen als / '^J0Ä* «m* Bühne im Wesent-

Äquivalent für den mm f Xpr 'M liehen nur einen Teil

unverstellbaren Cha- ^__5 - jWk. c^es Gesichtes, den

rakter, in ihrer mi- jßMMp J y M^^. Raum der Stirn ober-

misch - physiognomi- V^^^. ^'~>^*5 halb unc' zwischen

sehen Spiegelung teil- { w^$mts± I^KI den Augenbrauen, in

haftig zu werden, so |S@L '. X f fciP^Sjf^Ki Anspruch. Drei Mus-

kommt es hier darauf kein der Augenzone

an, in Gesichtsaus- sind es, die beim

druck, Haltung und ^^^(^ W tM^UeM Denken entweder ein-
Gebärden Willens- ^****^^f^R^P^^^Ä^P^ zeln oder gemeinsam

regungen, Stimmun- ^wE?jBBS3&-iM in Funktion treten und

gen und Affekte als J i| *^^J<^^M die leicht verschieb-
Ursachen oder Fol- j bare Gesichtshaut in
gen von Gescheh- meum sog. „Denkerfalten"
nissen zu veranschau- legen. Der erste Mus-
lichen, kel läßt auf der Stirn
Innerhalb dieses mehr oder weniger
großen Aufgabenkrei- horizontale Falten, der
ses tritt das Problem, zweite läßt senkrechte
die höchsteSteigerung Falten über der Na-
aller geistigen Kräfte W' \ I' J "^Msl ^/J senwurzel sich bilden
im Denken malerisch ■*'T"~~^' * HBk^'-Jm'' und der dritte schließt
zu gestalten, verhält- Ä ^^ByM die Lidspalte. Denker-
nismäßig selten auf. .^ss^ By&K^^H physiognomien ent-
Und auch dann kann ^^^^7^: stehen, indem die Ge-
es sich ja nie darum wohnheitderDenkmi-
handeln, das Fassen DIE kont^^^pJSi^&pelle (Abb. i) mik dauernde Spuren

DIE KUNSTWELT II, 5 293
 
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