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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Schmülling, Ludwig: Der Wettbewerb um das königliche Opernhaus in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0386

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PERSPEKTIVE. ENTWURF FÜR DAS BERLINER OPERNHAUS

HERMANN BILLING B. D. A.-KARLSRUHE

DER WETTBEWERB UM DAS
KÖNIGLICHE OPERNHAUS
IN BERLIN. VON LUDWIG
SCHMÜLLING, REGIERUNGS-
BAUMEISTER.

Auf Grund der Landtagsbeschlüsse und unter
dem Druck der öffentlichen Meinung forderte
der Bautenminister nach dreimaliger Vorarbeit
im Juni 1912 10 namhafte Künstler sowie die
Mitglieder des Verbandes Deutscher Architekten-
vereine und des Bundes Deutscher Architekten
zur Beteiligung an dem Wettbewerb für ein
Berliner Opernhaus auf. Die zehn Künstler,
denen ein Honorar von je 3000 M. zugesichert
wurde, waren: Billing, Brurein, Dülfer, Fischer,
Frentzen, Lossow, Kühne, March, Mehring,
Moritz, Schmitz.

Dem Wettbewerb wurde ein Programm sowie
Programmskizzen, die sich auf den Grundriß
bezogen, zu Grunde gelegt. Die Frist betrug
nur vier Monate.

Infolge der Vorgeschichte des Wettbewerbes,
die über die Fachkreise hinaus die öffentliche
Meinung stark beschäftigt hatte, war die Atmo-
sphäre um diese größte Architekturaufgabe stark
mit Zündstoffen geladen. Die meisten Künstler
fühlten mehr die beengende Schwüle der Situation
als das den schöpferischen Geist beseelende
Element, wie es eine Aufgabe mit solchen Ewig-
keitswerten enthielt.

Außerdem war die Frist zu kurz. Die Phan-
tasie konnte nicht mit Ruhe den Moment freu-
diger Inspiration abwarten, konnte nicht das
Chaos der widerstreitenden Ideen vor der In-
angriffnahme des großen Werkes ordnen.

So erklärt es sich, daß das Gesamtresultat
des Wettbewerbs nicht in jeder Hinsicht den
daran geknüpften Erwartungen entspricht.

Wenn die Akademie des Bauwesens fünf von
68 Entwürfen „für die weitere Förderung des
Bauvorhabens vermerkbar" nannte, so ist damit
die Zahl der an sich bedeutenden Arbeiten bei
weitem nicht erschöpft.

Jedenfalls stellt die Fülle hervorragender
Leistungen unserer Architektenschaft das beste
Zeugnis aus, wenn man von dem besonderen
Zwecke des Wettbewerbes absieht. Betrachtet
man dagegen den Wettbewerb daraufhin, ob
das Gesamtbild die Anzeichen einer gewissen
nationalen Stileinheit aufweist, und ob die be-
sondere Eigenart der Aufgabe zu einem großen
Wurf geführt hat, so läßt sich nicht verkennen,
daß der allzu individuelle Geist der scheinbar
überwundenen Sturm- und Drangperiode zum
Teil wieder seine buntesten Blüten treibt.

Wenn auch bei vielen Entwürfen der Nieder-
schlag eines gewissen bodenständigen Geistes
sichtbar wird, eines Geistes, in dem sich Deutsch-
tum, Klassizismus und spartanische Einfachheit
zu einem modernen Stil kristallisieren, so weisen
doch ebensoviel Entwürfe hiervon nicht den ge-
rino-sten Schimmer auf.

O

Statt aus dem reichen Schatz der Berliner
Architekturgeschichte zu schöpfen, beziehen
manche Künstler, wie Luckhardt, ihre Monu-
mentalität aus Ägypten, oder, wie Gessner,
Abbehusen und Blendermann, Bitzan, Huber &
Werz, Reuters, Pützer etc. aus der archaistischen
Periode frühdorischer Kunst. Schäde verarbeitet
die schönsten Reste römischer Gigantenarchitektur
zu einem unorganischen Konglomerat von Formen.
Wieder andere, wie Birkenholz und H. Groß,

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