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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Meyerheim, Paul Friedrich: Ueber Dekorative und Wandmalereien
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UEBER DEKORATIVE UND
WANDMALEREIEN. VON
PAUL MEyERHEIM.

Im Volksmunde gelte ich meistens als Ver-
herrlicher der Tierwelt. Wenn die kritisierenden
Kunstkenner mir etwas besonderes antun wollen,
so schreibt der eine von dem andern regelmäßig
ab, daß das Anekdotenhafte in meinen Bildern
hervorragender sei als das Rein-Malerische. Ich
selbst aber lege stets das Hauptgewicht auf
das Rein-Malerische. Zum Beispiel: An den
65 Porträts, die ich gemalt, ist keine Anekdote
zu entdecken — und ist es denn ein Unglück,
wenn auch in der bildenden Kunst etwas er-
zählt wird? Sind z. B. in vielen Bildern von
Boecklin nicht auch lustige Anekdoten? Der
panische Schrecken, der Centaur, welcher sich
vom Hufschmied beschlagen läßt, der „Heilige
Franziscus", der den Fischen predigt und Boecklin
selbst, der sich von einem Gerippe den danse
macabre auf einer schlechten Violine vorspielen
läßt, usw. Das scheinen mir doch alles heitere
Anekdoten zu sein, die als solche niemand
bekrittelt. Auch in den etwa fünfhundert meist
landschaftlichen Aquarellen, die ich in die Welt
gesetzt habe und welche nur wenige Liebhaber
kennen, entdeckt wohl niemand Anekdoten. —

Doch ich soll von meinen Wandmalereien
erzählen, die ich in vielen Privatpalästen und
auch in der National-Galerie vollendet habe.
Es interessiert und belehrt vielleicht den Leser,
wie ich bei den neuen Fresken in dem oberen
Saal der Berliner National-Galerie zuerst das
Malerische erdacht und verteilt habe. Ursprüng-
lich war dieser Raum dazu bestimmt, die vier
Jahreszeiten malerisch zu illustrieren. Professor
Wislicenus hatte für die unteren Flächen in
Ölfarbe große Wandbilder gemalt, darüber
stehen acht plastische Figuren, die, je zwei und
zwei, wiederum Frühling, Sommer, Herbst und
Winter vorstellen. Mir wurde vom Geheim-
rat Jordan der Auftrag, zwischen diesen Figuren
Wandbilder in Caseinfarbe zu malen. Da auf
der einen Wand drei Spiegel angebracht waren,
so verblieben neun Flächen, auf welche ich
nun wiederum Scenen aus den Jahreszeiten
malte. Um das Malerische fortschreitend richtig
zu erzählen, komponierte ich das erste Bild
„Erwachen des Frühlings" aus weiß heraus
und das letzte neunte in schwarz hinein: Raben
und Eulen mit einem Zwerg unter schwarzen
Tannen;das mittelste mußte das farbenprächtigste
werden, indem sich die Farben zu ihm allmählich
bunt im Crescendo gipfelten, von da ab, allmäh-
lich zur Farblosigkeit abfallend, wieder in Nacht
und Schnee endeten. Als einige Bilder bereits
dem Publikum sichtbar waren und ich für das

mittelste farbige noch kein rechtes Motiv ge-
funden hatte, las ich in einer Zeitung von dem
Entsetzen, welches ein Kritiker darüber empfand,
daß man mir diesen schönen Raum zu solcher
Verunstaltung übergeben hatte. Der Artikel
schloß: „Paul Meyerheim wird wohl auch noch
eine Landpartie mit Putten und Genien dort-
hin malen" — und richtig — nun hatte ich mein
Motiv: malte Kinder mit Blumen auf einem
kleinen Erntewagen, der von einem Hasen ge-
zogen wird, daneben bunte Apfelzweige, einen
Fasan usw. Und dies war das erste Mal, daß
ein Kunstkritiker mir einen guten Gedanken
und Rat gegeben hat, den ich befolgt habe.
Diese neun Bilder sind in kräftigen Radierungen,
von Plato ausgeführt, im Handel erschienen.

Eine große Saaldekoration führte ich im
Reichs-Justizamt für den Speisesaal aus und
zwar in Temperafarben auf den vier überspannten
Wandflächen. Die Scenerie ist ein alter, nicht
gepflegter Park, auf der Hauptwand blickt man
über einen See, im Vordergrund unter alten
Kastanien steht die goldene Herme einer Diana,
blühende wilde Rosen umranken das Postament,
um das sich Dammhirsche gruppieren, ein weißer
Schaufler läßt sich die Hagebutten gut schmecken,
Puten und Schwäne beleben das Ufer. Der
steinerne Kamin auf der gegenüberliegenden
Wand scheint in die Architektur hineingebaut,
ein großer Pfau sitzt auf der mit rotem wilden
Wein überwucherten Mauer; viele Tauben um-
flattern den Kamin. Auf der kürzeren Wand,
die von einer Tür unterbrochen ist, steht rechts
ein Ziegenbock neben einer alten Steinvase und
richtet unter den Blumen einige Verwüstungen
an. Über die Tür hinaus ragen Sonnenblumen,
an denen Blaumeisen picken. Als einzige Figur
steht eine hübsche Gärtnerin mit einer Gieß-
kanne da, die sich einen Apfel von einem frucht-
reichen Baume herunterholt.

In der Villa der Frau Olga Schiff, Tiergarten-
straße 29 a, malte ich den Plafond, die Wände
in einem kleineren Raum, der die Verbindung
zwischen Speisesaal und Wintergarten herstellt.
Die Wände machen den Eindruck von alten
verwitterten bemoosten Mauern, über welche
blühender Hollunder und Jasmin herüberragt.
Das Kreuzgewölbe der Decke ist in nächtlich-
dunkelblauem Ton gehalten, auf welchem,
grau in grau, der Tierkreis ziemlich naturalistisch
dargestellt ist. Eine emporschwebende weibliche
Gestalt als Komet ist mit einer Gewandung be-
kleidet, deren Sternenornamente aus den Blüten
des Jasmin sich entwickeln. Die Venus, der
Abendstern, ist von Putten umgeben, ein großer
und ein kleiner Bär schweben am Himmel.
Der Rundbogen über der Ausgangstür zum Win-
tergarten ist mit den Farben des Regenbogens ge-

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