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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Lebkuchenformen des 16. und 17. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0267

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LEBKUCHENFORMEN DES 16.
UND 17. JAHRHUNDERTS.

Ein ziemlich vergessenes Kapitel deutschen
Kunst- und Kulturlebens wird mit der Ver-
öffentlichung dieser alten Formen für Wachs-
abgüsse berührt; aber es ist ein sehr dankbares
und auch heute vielseitiges Interesse weckendes
Kunstkapitel. Diese Formen gehen auf die ur-
alte religiöse Sitte der AVeihe-(Votiv-) Gaben aus
Wachs zurück. Damit auch der Ärmste Weih-
nachtsgaben darbringen konnte, gestattete die
Kirche, sie gewissermaßen svmbolisiert in Wachs
auszudrücken und herzustellen. Die Formge-
staltung für solche Wachsabgüsse ward bald den
Künstlern überlassen, und so entwickelte sich
auf diesem Gebiete bald eine vortreffliche und
originelle Kleinkunst. Die Wachsgußwerke fanden
hauptsächlich an den Wallfahrtsorten außerordent-
lichen Absatz. „Unverständiger Puritaneifer hat
wohl", wie ein guter Kenner, J. Kirchner, schreibt,
„das meiste dieser volkstümlichen Kunst zerstört,
aber in x\ltbayern, Tirol, Osterreich, Steiermark

ist uns doch noch bis hinauf ins 17. Jahr-
hundert manches interessante Stück erhalten
geblieben. Nicht nur in Museen, sondern auch
in manchem alten Wachswarengeschäft finden
wir noch die vielfach von Meistern und Gehilfen
selbst in Birnbaumholz sauber und kunstfertig
geschnittenen Model zu den verschiedenen Fi-
guren, die meist in rotem Wachs, doch auch
naturgetreu bemalt hergestellt wurden."

Später ging die Kunst der geistlichen Wachs-
plastik auch in das profane Leben über. Be-
sonders die Lebkuchenherstellung übernahm
ähnliche Formen in Holz und schuf sich einen
Reichtum von Motiven. In Wachs ausgegossen,
wirken diese Arbeiten auch heute noch prächtig
dekorativ und stellen einen aparten Schmuck der
Wand dar, wie die hier veröffentlichten Wachs-
güsse von Joseph Gautsch in München.

Bis an den Ausgang des 16. Jahrhunderts
reichen diese Originalmodel zurück. Wie aus
den Bildern einer alten Ahnengalerie geschnitten
sind diese Herren in den Stulpstiefeln, dem
Tressenrock, die Frauen mit der „Fontanges"

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