Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

DOI Artikel:
Rebensburg, Heinrich: Dorf und Landschaft
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0873

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DORF UND LANDSCHAFT

Aus dem im Verlage R. PIPER & CO., München, soeben erschienenen Buche ,,Das deut-
sche Dorf" von HEINRICH REßENSBURG

keit" und höheren „Schönheit" über die Xatur schiff herniederschauen, so liegt die Dorfflur da wie
hinausgewachsen ist. — Und vom Haus den ein krauses Gewirr von Linien, durch die aber
Blick wieder zur Umgebung lenkend, erkennen vom eigenen Formenwert der Landschaft nichts
wir, wie in der Bodenkultivierung das inner- verloren geht, ein Gewebe von Fäden, die den
lich-lebendige Wesen der Natur erfaßt und durch heimischen Boden fesseln, ein großartiges System,
maßvolle Zügelung aus dem Zustand des Wucherns das ein reiches Wissen des Menschen um unsere
in zweckhafte Arbeitsgeleise geführt ist: wie die Mutter Erde offenbart: und im Zentrum, wo
naturfremde Menschensatzung sich durchaus dem alle Linien ausgehen und einmünden, sitzt, wie
Wollen und Können der Xatur anpaßt, nicht die Spinne in ihrem Netz, das Dorf, die Siede-
nur dem Zwang der Bodenqualität und Wetter- lung des Menschen, aus dessen Geiste die Natur
Verhältnisse, sondern auch der Gestalt des ringsum ihren höheren Sinn empfängt. —
Bodens: denn die hineingezogenen Linien schmiegen Das Geheimnis der Schönheit aller Dörfer
sich den Geländebewegungen sanft an und bringen liegt nicht in malerischen Zufälligkeiten, sondern
so den ursprünglichen, gewachsenen Rhythmus in der Überwindung der Disharmonie von Ge-
der Landschaft verstärkt zur Geltung. — So wordenem und Gemachtem, in der harmonischen
erscheint uns die Kultur nicht als Schwächung, Einheit von Naturwerk und Menschenwerk,
sondern als Steigerung der Natur: sie selbst Soviel Zwang dem Flurbild angetan ist, eben-
kommt durch Entrechtung in einem höheren soviel Macht hat die Natur im Dorfbild: es ist
Sinn zu ihrem Recht, wir begreifen die mvstische kein Vergewaltigen, sondern ein gegenseitiges
Wahrheit: Der Mensch ist der Sinn der Erde. Vordringen.

In erweitertem Maße gilt dasselbe vom Dorf: Es kann uns nicht wundern, wenn es der

wenn wir von Bergeshöhe oder aus dem Luft- Natur nicht gelingen wollte, jene brutalen Roh-

750
 
Annotationen