Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz (4.1928)

Alte Legen und Heilräte aus der Pfal^

Von Dr. Othmar Meisinger-Heidelberg

Ein ausgezeichnetes Dild ländlichsr Dolksheilkunde hat uns der grohe
Schweizer Erzähler Jeremias Gotthelf in seinem Duche „Anne Däbi
Iowäger" gegeben („Wie Anne DLbi Iowäger haushaltet, und wie es
ihr mit dem Doktorn gsht"). Der gründliche Kenner des Dolkstums zeich-
net hier ein klares Dild medizinischen Volksglaubens, wie er sich in der
Schweizer Amgebung des Dichters fand. Dei dem Erkranken des Sohnes
der Anne Däbi, Jakob, werden alle alten Heilinittel des Hauses und der
Nachbarschaft erprobt, ehe man sich fast allzuspät an die rechte Quelle,
d-en Arzt, wendet. So wie hier, wird eine volksmäßige Heilkunst heute
immer noch ihr Wesen treiben, mehr oder minder versteckt. Vralte Heil-
formeln leben noch bei uns überall, doch ist es schwer, ihnen beizukommen.
Heilmittel und Schutzmittel medizinischer Schulen vergangener Iahr-
hunderte spielen in stillen Dörfern bis zur Stunde noch eine bescheidene
Volle weiter. Es wäre wertvoll festzustellen, wieviele Soldatsn im
Weltkriege auszogen mit Schüßbriefen gegen feindliche Geschosse.

Jch teile im folgienden eine Reihe Vvn Segien und Heilräten aus einem
Dorfe der badischen Pfalz bei Heidelberg mit. Sie stammen aus dem
Ende des 18. Hahrhunderts. Jch behalte die alte Schreibweise bei.

1. Wenn Feuer ausbricht.

Bist willkommeu, du feuriger Gast,

Greif nicht weiter, als was du hast.

Das zähl ich dir Feuer zu einer Vuß
im Aamen Gottes des Daters,
des Sohnes und des heiligen Geistes.

2ch gebiete dir Feuer bey Gottes Kraft,

Die alles thut und alles schafft,

Du wollest stille stehen
ülnd nicht weiter gehen,

So wahr Christus stund am Jordan,

Da ihn taufet Johannes der heilige Mann.

Das zähl ich dir Feuer zu einer Vuh
im Namen der heiligen Drehfaltigkeit.

Jch gebiete dir Feuer bei der Kraft Gottes,
du wollest legen deine Flammen,

So wahr Maria behielt ihre Jungfernschaft
vvr allen Damen.

Die sie behielt so keusch und rein,

Drum stell Feuer dein Wüten ein.

Dies zähle ich dir Feuer zu einer Dutz
im Damen Ler heiligen Dreyeinigkeit.

Jch gebiete dir Feuer, du wollest legen deine Glut,
Vey Jesu Christi theurem Dlut.

Dräuchs, dle mit der Feuersbruust zusamineuhäugen. haben sich aus
den ältesten-Zeiten unserer Kultur sehr zähe gehalten. Jn Kürnt-en werden
dem Feuer wie dem Winde noch Speisen dargebracht; man nennt es den

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