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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0068
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Mannhenn.

^Acks mein Vater im Frühjahr 1834 seine Ernennung zum
Physikus des Amtsbezirks Wiesloch erhielt, war die Familie auf
sieben Kinder angewachsen. Zuerst waren drei Söhne gekommen,
dann drei Töchter, zuletzt noch ein Sohn; unsere Erziehung machte
ihm große Sorgen. Um sie zu ermöglichen, entschloß er sich zu
einem Opfer, dessen Größe nur richtig ermißt, wer den mühseligen
Beruf eines Landarztes kennt: er verzichtete auf die Bequemlichkeiten
der eigenen Familie und schickte unsere Mutter mit den Kindern nach
Mannheim, wo wir gute Schulen besuchen konnten; er wohnte allein
in Wiesloch und behalf sich mit mangelhafter Bedienung. Oft ver-
gingen mehrere Wochen, bis er von seinen Geschüften abkommen konnte,
um nach uns zu sehen. Er kam fast ausnahmlos zu Fuße; als ein
ausgezeichneter Fußgänger benützte er abkürzende Wege in den aus-
gedehnten Waldungen der Rheinebene. Die Ferien verbrachten wir
bei ihm in Wiesloch.

Das Bild von Mannheim und seiner Umgebung, wie es mir
aus meiner Knabenzeit in der Erinnerung steht, ist von dem heutigen
sehr verschieden.

Durch den Frieden von Luneville war Mannheim, bisher die
Haupt- und Residenzstadt von Kurpfalz, 1803 an Baden gekommen
und aus einer starken Festung eine offene Stadt geworden, doch war
sie noch immer nicht nber die Grenze ihrer ehemaligen Wälle hinaus-
gewachsen. — Jhr Handel bedeutete wenig, ihre Jndustrie noch weniger,
ihre breiten schnurgeraden Straßen zwischen den ermüdenden Häuser-
 
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