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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0069

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Mannheim.

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quadraten waren nur schwach belebt. Noch immer war Mannheim
mehr Residenz- und Garnisonsstadt als Handelsstadt. Das große, ehe-
malige Residenzschloß der Kurfürsten diente der Großherzogin Stephanie
von Baden als Witwensitz, und zahlreicher begüterter Adel, haupt-
sachlich der badischen Pfalz, war in Mannheim ansüssig und bildete
den Hof der sehr beliebten Fürstin. Jn fünf Kasernen lag die an-
sehnliche Garnison der Stadt, Jnfanterie, Cavallerie — je ein Regi-
ment — und Artillerie. Das Buch eines Revisors am Ministerium
in Karlsruhe, namens Heunisch: „Geographisch-statistisch-topographische
Beschreibung des Großherzogtums Baden, nach offiziellen Quellen be-
arbeitet, 1833", rühmt Mannheim als eine der schönsten Städte am
ganzen Rheinstrom. Die große Regelmüßigkeit ihrer baulichen An-
lage gefiel dem Revisor, einem Freunde der Symmetrie und Reposi-
torien, außerordentlich, freudig bewegt fügt er hinzu: „Jn der Mitte
der Stadt, ohnweit dem Pfälzerhofe, kann man zu den vier Thoren
und Barrieren hinaussehen."

Das Jahr 1834, in welchem wir nach Mannheim kamen, legte
den Grund zu der mächtigen Entwicklnng von Handel und Jndustrie der
so glücklich an dem Znsammenfluß von Rhein und Neckar gelegenen
Stadt; ein neuer Abschnitt ihrer Geschichte begann. Am 9. Jnli fielen
die Zollschranken zwischen dem badischen und baierischen Rheinnfer;
am 10. September legte Großherzog Leopold den Grundstein zu den
Bauten, die allmählich den Mannheimer Hafen zu dem größten Binnen-
hafen des europäischen Festlandes machten. Die Mühlauinsel, die
heute von den Kanälen des Rheinhafens dnrchzogen und mit Bahn-
schienen, riesigen Lagerhäusern und Werkstätten bedeckt ist, war da-
mals noch ein Lnstort mit Gärten und Spazierwegen und dem viel-
besuchten Mühlauschlößchen, einer guten Gartenwirtschaft, wohin sogar
Großherzogin Stephanie Gäste einlud.

Als Festung hatte Mannheim auf dem linken Rheinufer einen
Brückenkopf gehabt, die Rheinschanze. Sie war mit allen übrigen
Festungswerken geschleist worden, der Ort aber, wo sie gestanden
hatte, hieß noch immer die Rheinschanze. Es befanden sich hier keine
andern Gebäude, als ein baierisches Zollhaus mit seinem Schuppen
und eine kleine Strecke weiter unten am Rhein die Hemshöfe, einige

Kußmaul, A„ Jugenderinnerungen. 4
 
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