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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0219
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Friedrich Tiedemann.

199

sie bis zur Bildung einer feinen Ritze spannen und durch die Luft-
röhre kräftig anblafen, fo entstünde ein — Ton!" Die Vorlefung
war zu Ende, die Hörer verließen den Saal, nur Schiff blieb zurück,
lief zu dem Präparat und schaute flehend auf Tiedemann. Freundlich
lächelte der ehrwürdige Herr: „Herr Schiff, es fcheint Jhnen die
Sache noch nicht hinreichend klar zu seiu. Nun wohlan! Sie sehen
hier den menschlichen Kehlkopf mit der Luftröhre u. s. w." Schiff hing
mit feurigen Augen an seinen Lippen, bis er zu den Worten gekommen
war: „und würde ich durch die Luftröhre kräftig blasen," — da hielt
er nicht länger mehr an sich und brach heraus: „Ach! Herr Geheimer-
rat! blasen Sie!" — Tiedemann wurde nicht böse und lächelte dem
wißbegierigen Schüler freundlich zu: „Herr Schiff, das geht nicht
an, ich würde mich beschmutzen."

Leider trafen den verdienten Meister an seinem Lebensabend
fchwere Schickfalsfchläge. Sein ültester Sohn beteiligte sich 1849 an
der badifchen Revolution und wurde standrechtlich erschosfen, die beiden
andern wanderten nach Amerika aus. Er verließ Heidelberg, ging zuerst
nach Frankfnrt, dann nach München, wo feine mit dem Anatomen
Bischoff verheiratete Tochter lebte. Jch besuchte hier meinen alten
verehrten Lehrer kurz vor feinem Tode, im Oktober 1860, was ihm,
wie mir Bischoff fpäter mitteilte, große Freude machte. — Er starb
am 22. Januar 1861.
 
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