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Sprach er mit dir von seinem Leben, jetzt
Und sonst ? Sprach er von mir ?
Bildhauer : Mit Dank und Ehrfurcht.
Hadrian: Und so dabei die Lippen stolz und traurig
Geschürzt, wie sie der Marmor zeigt? — 's ist gut!
Dein Werk ist wie das Leben, räthselhaft.
Willst du ein bess'res Lob?«
Heyse lebt seit 1854 in München. Es liegt nahe,
daran zu denken, dass er seine Beobachtung" nament-
lich an der trefflichen Antinous-Büste angestellt haben
wird, welche, ehemals in der Sammlung des Hauses
Bevilacqua, nunmehr in der Glyptothek sich befindet.
Das Werk kommt nach dem übereinstimmenden Ur-
theil der Kenner unter allen uns erhaltenen Antinous-
Monumenten einer reinen Porträt-Darstellung am näch-
sten. Eine Büste, keine Statue, ist es, welche Heyse
auf die Bühne bringt. Es kann darunter nur eine attri-
butlose Porträtbüste verstanden werden, da die Ver-
götterung des Jünglings erst nach seinem Tode erfolgte,
er aber während der angeführten Scene noch am Leben
ist. Heyse hat also — und unsere Vermuthung dürfte
nach dem Gesagten wohl als richtig anerkannt werden
— einen vor ihm von noch niemand beachteten, äussert
charakteristischen Zug aus dem Antlitz des Antinous
herausgelesen, welcher, da er einem reinen Porträt-
werk abgelauscht ist, sich auch in den mehr ideali-
sierenden Darstellungen wird nachweisen lassen. Man
trete nur wieder einmal vor den Antinous-Braschi hin.
Gottfried Kinkel
(geb. 1844).
Die Gypsabgüsse der Archäologischen Sammlung im Gebäude des
Polytechnikums in Zürich. Zürich 1871.
(177, capitolinischer Antinous:) »So schaut dieser
Jüngling imLebensüberdruss ernst vor sich nieder...«
Sprach er mit dir von seinem Leben, jetzt
Und sonst ? Sprach er von mir ?
Bildhauer : Mit Dank und Ehrfurcht.
Hadrian: Und so dabei die Lippen stolz und traurig
Geschürzt, wie sie der Marmor zeigt? — 's ist gut!
Dein Werk ist wie das Leben, räthselhaft.
Willst du ein bess'res Lob?«
Heyse lebt seit 1854 in München. Es liegt nahe,
daran zu denken, dass er seine Beobachtung" nament-
lich an der trefflichen Antinous-Büste angestellt haben
wird, welche, ehemals in der Sammlung des Hauses
Bevilacqua, nunmehr in der Glyptothek sich befindet.
Das Werk kommt nach dem übereinstimmenden Ur-
theil der Kenner unter allen uns erhaltenen Antinous-
Monumenten einer reinen Porträt-Darstellung am näch-
sten. Eine Büste, keine Statue, ist es, welche Heyse
auf die Bühne bringt. Es kann darunter nur eine attri-
butlose Porträtbüste verstanden werden, da die Ver-
götterung des Jünglings erst nach seinem Tode erfolgte,
er aber während der angeführten Scene noch am Leben
ist. Heyse hat also — und unsere Vermuthung dürfte
nach dem Gesagten wohl als richtig anerkannt werden
— einen vor ihm von noch niemand beachteten, äussert
charakteristischen Zug aus dem Antlitz des Antinous
herausgelesen, welcher, da er einem reinen Porträt-
werk abgelauscht ist, sich auch in den mehr ideali-
sierenden Darstellungen wird nachweisen lassen. Man
trete nur wieder einmal vor den Antinous-Braschi hin.
Gottfried Kinkel
(geb. 1844).
Die Gypsabgüsse der Archäologischen Sammlung im Gebäude des
Polytechnikums in Zürich. Zürich 1871.
(177, capitolinischer Antinous:) »So schaut dieser
Jüngling imLebensüberdruss ernst vor sich nieder...«