— 4.3 —
Offenbar hat das Wort bei ihm eine sehr subjec-
tive Färbung. Es bedeutet bei ihm das Lebensfrische, Un-
gebrochene, Kraftvolle, Gesunde, die ungezügelte, ur-
sprüngliche Natur, und zwar stets im lustvoll bejahenden
Sinne. Dagegen wird man aus Michaelis' Anwendung
des Wortes unschwer herausfühlen, er meine damit das
verlorene Gleichmass der Seele, die Zerrüttung des Ge-
müthes, das Wirre und Wüste im Denken und Em-
pfinden. Ich behaupte: selbst für den Fall, dass Mi-
chaelis jenes Wort bei Heinse aufgegriffen, habe es
doch in seiner Anführung einen vollständig veränderten
Sinn erhalten. Gegen eine Entlehnung spricht aber
ein zweiter, gewichtiger Umstand. Michaelis sieht die
Stirne und das Auge des Antinous für den Sitz der
an ihm bemerkten Wildheit an. Heinse redet von
einem wilden Zug um die Lippen. Eigentlich schliesst
dies allein schon eine Beeinflussung aus. Michaelis
befindet sich also, trotz des Gebrauchs des selben
Wortes, der Sache nach — und dies ist der Punkt,
auf den es hier ankommt! — unzweifelhaft nicht in
wildesten Wäldern Thüringens gezeugt worden bin?«; 237: »Duldung meines
wilden Jugendfeuers«; 238: »Er [Klinger] soll ein wilder junger Mensch
sein, voll Unsinn und Geist«; 244, 250, 262, 271: »wilder Rüdesheimer« ;
280: »Seine offene Brust schwillt schon von junger Stärke, und sein Ge-
sicht ist rundlich, schön und wild«; 298: »Ein reizender Jüngling, den,
bei aller Huld, ein Schein edler Wildheit . . . umschwebt«; 359: »Die
Pferde sind stolz und wild und voll Feuer«; II, 134, 201, 590. — Ar-
dinghello und die glückseligen Inseln. Lemgo 1787. I, Ii: »mit einer
kühnen Wildheit, erschien er mir ein höheres Wesen« ; 20, 53, 61, 101:
»reizend sind dessen [des Sees] Ufer, und zugleich majestätisch und wild«;
145, 172, 203: »seine Gestalt war so schlank und edel in der wilden
Farbe von Meer und Sonnenbrand«; 205, 248, 334, 336, 339. II, 6:
»dem wilden und kühnen Papst Julius«; 92: »Wahrhaftige wilde Stier-
natur in Stellung, Bewegung durch den ganzen herrlichen Körper!« —
Andere Schriften Heinse's darauf hin anzusehen, hielt ich nachgerade für
Uberflüssig.
Offenbar hat das Wort bei ihm eine sehr subjec-
tive Färbung. Es bedeutet bei ihm das Lebensfrische, Un-
gebrochene, Kraftvolle, Gesunde, die ungezügelte, ur-
sprüngliche Natur, und zwar stets im lustvoll bejahenden
Sinne. Dagegen wird man aus Michaelis' Anwendung
des Wortes unschwer herausfühlen, er meine damit das
verlorene Gleichmass der Seele, die Zerrüttung des Ge-
müthes, das Wirre und Wüste im Denken und Em-
pfinden. Ich behaupte: selbst für den Fall, dass Mi-
chaelis jenes Wort bei Heinse aufgegriffen, habe es
doch in seiner Anführung einen vollständig veränderten
Sinn erhalten. Gegen eine Entlehnung spricht aber
ein zweiter, gewichtiger Umstand. Michaelis sieht die
Stirne und das Auge des Antinous für den Sitz der
an ihm bemerkten Wildheit an. Heinse redet von
einem wilden Zug um die Lippen. Eigentlich schliesst
dies allein schon eine Beeinflussung aus. Michaelis
befindet sich also, trotz des Gebrauchs des selben
Wortes, der Sache nach — und dies ist der Punkt,
auf den es hier ankommt! — unzweifelhaft nicht in
wildesten Wäldern Thüringens gezeugt worden bin?«; 237: »Duldung meines
wilden Jugendfeuers«; 238: »Er [Klinger] soll ein wilder junger Mensch
sein, voll Unsinn und Geist«; 244, 250, 262, 271: »wilder Rüdesheimer« ;
280: »Seine offene Brust schwillt schon von junger Stärke, und sein Ge-
sicht ist rundlich, schön und wild«; 298: »Ein reizender Jüngling, den,
bei aller Huld, ein Schein edler Wildheit . . . umschwebt«; 359: »Die
Pferde sind stolz und wild und voll Feuer«; II, 134, 201, 590. — Ar-
dinghello und die glückseligen Inseln. Lemgo 1787. I, Ii: »mit einer
kühnen Wildheit, erschien er mir ein höheres Wesen« ; 20, 53, 61, 101:
»reizend sind dessen [des Sees] Ufer, und zugleich majestätisch und wild«;
145, 172, 203: »seine Gestalt war so schlank und edel in der wilden
Farbe von Meer und Sonnenbrand«; 205, 248, 334, 336, 339. II, 6:
»dem wilden und kühnen Papst Julius«; 92: »Wahrhaftige wilde Stier-
natur in Stellung, Bewegung durch den ganzen herrlichen Körper!« —
Andere Schriften Heinse's darauf hin anzusehen, hielt ich nachgerade für
Uberflüssig.