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Landinus, Christophorus; Wolf, Eugen [Übers.]
Camaldolensische Gespräche — Das Zeitalter der Renaissance, 2. Serie ; 7: Jena: Eugen Diederichs Verlag, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.55590#0118
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Damit glaube ich einen Überblick über die peripatetische Lehre
vom höchsten Gut gegeben zu haben. Wenn du meinst, ich
habe mich zu kurz gefaßt, so wisse, daß das kein großes Un-
glück ist. Du hast doch hier die beiden Acciaiuoli, du hast
Alamanno, lauter Männer, die, gelehrt und beredt, wie sie
sind, diese ganze Frage, falls dich danach verlangt, in eindring-
licher und zugleich wortreicher Darstellung zu behandeln im-
oiiviero stände sind. Schade, daß unser Oliviero Arduino nicht hier
Arduino-^, der mir auf jedem Gebiet der Philosophie so viel gilt, daß
ich ihm unter den Aristotelikern einen Ehrenplatz einräumen
zu müssen glaube14.“
,,Gewiß zeichnet sich Arduino, wie du sagst, durch hervor-
ragende Gelehrsamkeit aus,“ antwortete ÜONATO, „und wenn
es ihm die Geschäfte erlaubt hätten, so wäre er ohne Zweifel mit
Lorenzo hierher aufs Land gegangen. Ob aber deine für uns
so ehrenden Worte das Richtige treffen und nicht vielmehr allzu
freundschaftlich gemeint sind, darüber mögen andere entschei-
den; ungern hören wir es auf keinen Fall, wenn ein solches Lob
aus solchem Munde kommt. Gewiß, wir haben immer die An-
sicht vertreten, daß die Tugend um ihrer selbst willen, auch
ohne die Erwartung irgendeines Lohnes, erstrebt werden müsse;
allein soweit haben wir es, um der Wahrheit die Ehre zu geben,
doch nicht gebracht, daß wir es nicht gern sehen würden, wenn
ihr, so wie dem Körper der Schatten, ein Schimmer von Ruhm
folgt. Ich wundere mich jedoch, daß du uns ausdrücklich den
Aristotelikern zugezählt und dabei Marsilio Ficino mit Still-
schweigen übergangen hast.“
Da gab Battista, nachdem er Marsilio einen lächelnden
Blick zugeworfen hatte, zur Antwort: „Was anders, meinst du,
Donato, hat mich daran gehindert als der Neid? Ich bestreite
nicht, daß MARSILIO auch aus der Quelle des Lykeion15 in vol-
len Zügen getrunken hat. Da wir jedoch alle zugeben müssen,
daß er es ist, der die Rätsel des Orakels der Akademie am besten
zu deuten vermag, so lasse ich mir, das kannst du mir glauben,
nicht das Zugeständnis erpressen, daß er auf beiden Gebieten
gleich gut beschlagen sei.“
„Du scherzest, Battista“, antwortete Alamanno, „und willst,

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