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Feininger, Lyonel [Ill.]; Langner, Johannes [Oth.]
Lyonel Feininger - Segelschiffe — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 76: Stuttgart: Reclam, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.65783#0009
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Künstler einmal von sich selbst. Über alles schätzte Fei-
ninger Bach, und in der Verehrung und im Geist des
großen Meisters hat er mehrere Fugen geschaffen. Etwas
von der konstruktiven Kunst dieser musikalischen Form
enthält auch unser Bild, in seinem Aufbau aus Verschie-
bungen, Überschneidungen, Verzahnungen, Variationen,
Umkehrungen und Spiegelungen eines Motivs. Feininger
berichtet über ein Gespräch mit einem befreundeten Mu-
siker: „Er sagte, es sei eigentlich erstaunlich, wie ich,
der mir Bach so im Wesen stecke, nicht doch Musiker
anstatt Maler geworden sei. Doch fanden wir, daß das
Wesen Bachs doch genauso auch in meiner Malerei zum
Ausdruck komme.“ Freilich dürfen wir dies nicht so ver-
stehen, als handele es sich in Feiningers Bildern um eine
strikte, nachprüfbare Umsetzung musikalischer Formen
und Gesetze in die Malerei, um gemalte Fugen etwa.
Der Maler schafft hier lediglich analog zur Musik. In
diesem Zusammenhang mag es interessant sein darauf
hinzuweisen, daß auch jene Künstler, die für Feiningers
Stil die entscheidende Voraussetzung bilden, die fran-
zösischen Kubisten, in einer bestimmten Phase ihrer
Entwicklung ihre eigene Kunst als dem Wesen Bachscher
Musik verwandt und gleichgerichtet empfanden und dies
in den Sujets und Titeln ihrer Werke zum Ausdruck
brachten (Picasso, Braque).
Wir würden das Wesen eines solchen Bildes aber ver-
fehlen, betrachteten wir es unter dem Eindruck seines
„abstrakten“ und „musikalischen“ Charakters ausschließ-
lich als Spiel mit flächigen und räumlichen, tonigen und
farbigen Werten und vergäßen darüber den Gegenstand.
Feininger bleibt der Anschauung verpflichtet, von ihr
geht er aus und in ihre Verdichtung und Läuterung mün-
det seine Kunst. Eine wesentliche Dimension dieses Bil-
des ermessen wir erst, wenn wir ins Auge fassen, wieviel
Beobachtung der Künstler mit diesen strengen Mitteln
einfängt. Ein Vergleich mit einer holländischen Marine
des 17. Jahrhunderts, einem Seestück des Willem van de
Velde d. J. (Abb. 15), mag dies beleuchten. Der nieder-
ländische Meister hat mit einer äußersten, bis dahin un-
erreichten und seither nicht wieder überbotenen Objek-

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