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Auch auf Porträtähnlichkeit scheint es selbst da, wo ein grösserer Mass-
stab angewendet worden ist, kaum abgesehen zu sein, und vollends bei
jenen Figuren, die in Eichhörnchen-Grösse und -Gebärde den Vorder-
grund erfüllen, gewinnt man die Ueberzeugung, dass der Maler die Ori-
ginale überhaupt niemals zu sehen bekommen hat: es wird ihm gesagt
worden sein, wie viel Männlein und Weiblein anzubringen sind und
dann hat er sie schlecht und recht als abbreviatorische Menschenbilder
hingepinselt, höchstens durch Tracht und Lebensalter ein wenig von-
einander unterschieden.
Gering wie das künstlerische ist auch das ikonographische Ergebnis.
Nach den grossen Männern, die dem 15. Jahrhundert sein eigenartiges
Gepräge geben, wird man vergeblich sich umschauen, nach den Vor-
läufern der Reformation und ihren Bekämpfern, nach den kühnen Bahn-
brechern auf allen Gebieten, den Entdeckern und Erfindern und nach so
manchem der willens- und thatkräftigen deutschen Landesherren. Kaiser
Friedrich III. und Maximilian, einige unbedeutende Reichsfürsten und
eine Handvoll mehr oder minder hervorragender Bischöfe, Gelehrte und
Patrizier, mit ihnen müssen wir uns als Repräsentanten einer an mar-
kanten Persönlichkeiten so reichen Zeit begnügen. Von der grossen
Menge der Stifter wissen wir nichts, selbst wenn uns hin und wieder
ein Name bekannt ist, und schliesslich sind die in ihrer Mehrheit
dürftigen und charakterlosen Köpfe auch nicht darnach angethan, die
Neugierde nach ihren Lebensumständen zu erwecken, — kein Gedanke
noch weniger ein zur Lösung herausforderndes Rätsel ist auf diesen
Gesichtern zu lesen, die, um mit Hermann Grimm zu sprechen, wie
Wasser durchs Gedächtnis laufen.

4. Das Rosenkranzbild und die Mater Misericordiä.
Zwischen Assistenz- und Stifterbildnis steht eine andere Gruppe
von Darstellungen, die häufig zur Anbringung von Kollektivporträts be-
benutzt worden ist, das Rosenkranzbild und die Mater Misericordiä.
Das erstere, seit Mitte des 15. Jahrhunderts hauptsächlich in der
Stich- und Schneidekunst ausgeführt, zeigt in der Regel die heilige
Jungfrau von einem Ring roter und weisser Rosen umgeben, ein Sinn-
bild der Freuden und Leiden Mariä, welcher Repräsentanten aller Stände
 
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