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PSALIGRAPHIE <SILHOUETTIERKUNST>

einer Initiale <Nr.5und6). Wandkarten, wissenschaftliche Tafeln, vielerlei Karten-
bilder, Menukarten, Modejournale, Bilderbogen usw. werden mittelst Papier-
Schablonen koloriert, siehe den Bilderbogen von Wilhelm Busch, der durch
14 Schablonen allmählich seine Farben erhält. Besonders kunstvoll sind die
japanischen Schablonenpapierarbeiten — eigentlich Silhouetten, die eingefärbt
und zum Abdruck benützt werden, so daß also, nicht wie sonst beim Schablo-
nieren, zum umgebenden Außenmuster das positive Bild entsteht, sondern die
Vorlage selbst eine Anzahl gleicher Abdrucke ermöglicht. Dieses Verfahren
wird versuchsweise auch bei uns als sog. Silhouettendrude geübt.
Während Schattenspielfigur und Schablone letzten Endes nur das Mittel
sind, ein Bild hervorzubringen, ist die Silhouette, die als fertiges Bild aus-
geschnittene Arbeit, die eigentliche Aufgabe der Psaligraphie. Die Ausschneide-
kunst läßt sich bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zurückverfolgen.
Das früheste uns erhaltene Beispiel ist ein Albumblatt, Tübingen 1631 <Nr. 10).
Ihm folgen die Szenen, die R. W. Hus in den Jahren 1653 und 54 aus weißem
Papier schnitt <Nr. 11 ff,). Von welcher Erfindung, Munterkeit und Überlegenheit
sind diese Bilder! Wie herrlich Franz von Assissi, der in heiliger Ekstase den
Vögeln predigt. Wie wunderbar quillt auf einem anderen Bild das geschöpft
liehe Leben aus den Zweigen der Bäume hervor! — Die Heraldik, die ein
Lieblingsthema auch von R. W. Hus ist, hat die Psaligraphie häufig beschäftigt,-
dasWappenschneiden ist wohl von manchen beruflich ausgeübt worden <Nr. 19 f.).
Von Chr.M.Kellner um 1740 sind profane und religiöse Darstellungen bekannt,
bei denen mehrere Papierschichten kulissenartig hintereinander gelegt sind.
Zahlreich sind die religiösen Motive,- die volkstümliche Kunst liebte es bis in
unsere Zeit herein, z. B. die Marterwerkzeuge in schwarzen wie in verschieden^
farbigen Papieren zu schneiden und auf oft originelle Weise zusammenzufügen.
Ungefähr ebensoweit zurück, lassen sich die sog, Spitzenbilder verfolgen.
Feinstes mit dem Messer ausgeschnittenes Blumen- und Rankenwerk umgibt
meist eine gemalte Heiligendarstellung. Unerschöpflich sind die Schnittmuster,
die Verteilung der aufgemalten Farben, die Anordnung der Arabesken. Mit
der emporblühenden Spitzenindustrie treten an Stelle der Ranken immer
häufiger Spitzenmuster auf, daher der Name Spitzenbilder. Eines der frühesten
Bilder <in der Sammlung Dr. Daffner, München) ist laut Signatur 1652 von einer
Äbtissin verfertigt worden. In Klöstern und Klosterschulen haben wir die
Ausgangsstätte dieser Kunst zu suchen, die noch wenig bekannt ist und
deren Erforschung eine dankbare Aufgabe der Volkskunde sein wird.
Die im 17. Jahrhundert schon so vollendete Technik des Pergament« und
Papierschnittes <s. die Bilder von R. W. Hus und z. B. den großen nieder-
ländischen Pergamentschnitt, Nr. 30) läßt vermuten, daß die Ausschneidekunst
schon eine längere Entwicklung hinter sich hatte. Wir denken uns gern, daß
nicht nur Dilettanten und weltabgewandte Mönche oder Nonnen, sondern
auch manche Maler und Holzschneider zuweilen Messer und Schere an
Pergament und Papier gesetzt haben.
ft. Es gibt frühe Heiligenbilder, bei denen die Gewänder, Blumen usw. aus
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