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Kunsthaus Lempertz <Köln> [Hrsg.]; Kunsthaus Lempertz [Hrsg.]; M. Lempertz' Antiquariat (P. Hanstein) [Mitarb.]
Math. Lempertz'sche Kunstversteigerung: Nachlässe Geh.-Rat Prof. Dr. Schmid-Burgk, Aachen, Geh. Kommerzienrat Julius Vorster, Köln und anderer Privatbesitz: Mobiliar des 16. bis 19. Jahrhunderts, Orientteppiche, Textilien, Stickereien, Plastiken, Miniaturen, Gläser, Glasmalereien... ; mit 9 Lichtdrucktafeln ; [19. bis 22. März 1935] — Köln, Nr. 371.1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.8761#0063
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Japanische Netsukes und netsuke-artige Kleinplastik

1038 Teller, gepunzt mit der Darstellung der Heiligen Drei Könige und Jahres-
zahl 1792. Dm. 22,5 cm.

1039 Zwei verschiedene runde Tabletts mit verzierten Rändern. 18.—19. Jahr-
hundert. Dm. 30 und 29 cm.

1040 Zwei ovale Tabletts und zwei runde Teller. Mit verzierten Rändern. 18.—19.
Jahrhundert.

1041 Runde Schüssel, gepunzt mit Bärenjagd in bewaldeter Landschaft. Dm. 32 cm.

Japanische Netsukes
und netsuke-artige Kleinplastik

Die Netsukes (sprich Netskes) sind Meisterstücke handwerklich-künstlerischen Schaffens,
Originahverke von Schnitzern, die in ihren Arbeiten Humor und Grazie unnachahmlich
zum Ausdruck gebracht haben. Lebenswahrheit und Phantasie klingen in ihnen zusammen.
Wir sehen in den Netsukes Originalarbeiten von höchster künstlerischer Vollendung. Die
Netsukes sind Teile der altjapanischen Kleidung, wie sie bis 18(58 allgemein getragen wurde.
Sie bestand aus einem langen, schlafrockähnlichen Gewand, dem Kimono und dem Gürtel,
dem Obi, der an den Hüften festgebunden wurde. Da die japanische Kleidung weder
Taschen noch Ösen und Knöpfe kannte, wurden die zur männlichen Ausstattung gehörigen
Tabakpfeifchen. Medizindöschen, Brieftaschen und dergleichen mehr zwischen Obi und
Kimono getragen, und am Durchschlüpfen durch die Netsukes verhindert, die Erzeugnisse
der Volkskunst im besten Sinn des Wortes sind. Jedes Stück ist einmalig, keines gleicht
einem zweiten. Die Motive, die für sie gewählt wurden, sind sehr reichhaltig. Götter
und Teufel, Heilige und Helden, Gespenster und Fabeltiere, Gewerbetreibende und
Gebrauchsgegenstände, Tiere und Pflanzen, Masken aller Art sind vertreten. Die ange-
botene Sammlung ist besonders reich an Darumas. Daruma war der erste chinesisch-
buddhistische Patriarch, der neun Jahre in Betrachtung versunken unbeweglich im Tempel
saß. Im Verlauf der Meditationen sind ihm Arme und Beine wegen mangelnden Gebrauches
verkümmert. Er wird daher oft als Kopf auf kugeligem Körper dargestellt und so auch
als Kinderspielzeug gebildet. Auf Schilfblättern stehend, soll der Daruma nach Japan
gesegelt sein, um dort den Buddhismus einzuführen.

Den Netsukes verwandt, oft auch als solche durchgebildet, sind die Darstellungen aus der
japanischen Maskenkunst, welche die Welt des No, des klassischen japanischen Theaters,
angeregt hat. Die No-Spiele sind eine Mischung von Oper und Oratorium, verbunden mit
Tänzen; sie werden seit mehr als einem halben Jahrtausend mit Masken durchgeführt. In
diesen Masken haben asiatische Künstler, Schnitzerpersönlichkeiten von erstem Rang,
faszinierende Werke geschaffen. Mit ihnen erwuchs das weite Feld der japanischen Klein-
masken, die die gleichen menschlichen Leidenszüge, den ungehemmten Freudenausdruck,
das Liebenswürdige und das Dämonische widerspiegeln, wie sie bei den Großmasken zu
finden sind. Der Reichtum der Ausdrucksform ist erstaunlich. Männliche und weibliche
Teufel, Helden und Heroinnen, Satyren und Dämonen, tragische und komische Charaktere
sind in ihnen verkörpert. Ungemein vielseitig ist der Ausdruck der Gemütsbewegungen:
Behagen und Freude, Seligkeit und Unlust, Schmerz und Stumpfsinn, naturwahre oder
traumhafte Darstellungen sind mit stärkster Ausdruckskraft festgehalten.

Die zur Versteigerung kommende Sammlung japanischer Kleinkunst ist in der Zeit von
über einem Menschenalter entstanden. Englische und französische, auch große deutsche
Kollektionen haben zu ihr beigetragen. Sie enthält Originalwerke ostasiatischer Künstler,
wie sie jetzt immer seltener angeboten werden.

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