II.
CHINESISCHE KERAMIK
Beschrieben von L. Reidemeister
Die Begegnungen mit chinesischem Porzellan auf dem deutschen Kunstmarkt seit 1945 sind
seltener geworden. Die politischen Verhältnisse haben den einst reichen Sammlerbesitz in
alle Winde verstreut, und der letzte Krieg hat auch auf diesem Gebiete unwiederbringliche
Verluste mit sich gebracht. Was sich aber durch glückliche Umstände erhalten hat, wird
unser besonderes Interesse beanspruchen dürfen, für den Sammler von früher als Wieder-
begegnung mit einer Gerätekunst, die er seit langem als vorbildlich für unser eigenes Schaffen
auf diesem Gebiete anerkennt, für den Sammler von heute und morgen als Anregung, eine
Jahrhunderte alte Tradition des Sammelns von chinesischem Porzellan in Deutschland erneut
aufzunehmen. Verlangen nicht chinesische Porzellane des Johanneums in Dresden (Nr. 77 und
91), also der Sammlung August des Starken, nach den Verlusten in Dresden heute unsere
besondere sammlerische Betreuung? Der Krieg hat sie zu Seltenheiten gemachtI
Anderes hat schon immer zu den Seltenheiten gehört, wie die derbfrische Chou-Vase der
ehern. Sammlung des Sinologen Friedrich Hirth in Gotha (Nr. 48), wie die Amphorenvase
mit hellenistischen Anklängen (Nr. 51), die zwar den Stil der T’ang-Zeit bewahrt, sich aber
durch den härteren Scherben und die spiegelnd opalisierende Glasur als Arbeit der Liao erweist,
oder das an sich unscheinbare Schälchen (Nr. 54), das mit seiner shu fu-Marke durch das Ko-ku
Yao-lun von 1387 als ein Porzellan der Yüan-Zeit aus Ching-te Chen ausgewiesen wird.
Von Ming-Porzellanen ist vor allem die Wan-li-Zeit mit einigen Beispielen vertreten, sei
es durch in Bestimmung und Dekor rein chinesische Geräte, wie die farbige Pinselbank mit
der Marke (Nr. 61) und die große, bauchige Vase mit der Darstellung der vier Künste
(Nr. 62) oder die Balustervase der ehern. Sammlung Hesse (Nr. 63), die in ihrem Lotosranken-
dekor den Geschmack der islamischen Besteller widerspiegelt.
Das Hauptgewicht dieser kleinen Sammlung aber beruht auf den Porzellanen der klassischen
K’ang-hsi-Periode, die sowohl durch gutes Blauweiß, wie durch Familie verte-Porzellane, teil-
weise auf farbigen Gründen von Eisenrot, Powder blue und Cafe au lait, und durch die
Flaschenvase mit blühendem Pflaumenbaum in Schmelzfarben auf gebranntem Scherben (Nr. 94)
vertreten ist. Zwischen der Klassik der K’ang-hsi-Zeit und dem Rokoko der Ch’ien-lung-Zeit
steht die stattliche Deckelvase der Yung-cheng-Zeit (Nr. 95), die in ihren transluziden Emails
noch den Charakter der Familie verte bewahrt, aber doch schon die Farben der Familie rose
verwendet. Der dreiteilige Vasensatz (Nr. 97) repräsentiert schließlich charakteristisch das chine-
sische Rokoko in der heiteren Helligkeit der rosa Gattung, zu der die Farben eines Francois
Boucher den chinesischen Porzellankünstlern von Ching-te Chen die Anregung gegeben hatten.
Köln, im März 1954.
L. Reidemeister
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CHINESISCHE KERAMIK
Beschrieben von L. Reidemeister
Die Begegnungen mit chinesischem Porzellan auf dem deutschen Kunstmarkt seit 1945 sind
seltener geworden. Die politischen Verhältnisse haben den einst reichen Sammlerbesitz in
alle Winde verstreut, und der letzte Krieg hat auch auf diesem Gebiete unwiederbringliche
Verluste mit sich gebracht. Was sich aber durch glückliche Umstände erhalten hat, wird
unser besonderes Interesse beanspruchen dürfen, für den Sammler von früher als Wieder-
begegnung mit einer Gerätekunst, die er seit langem als vorbildlich für unser eigenes Schaffen
auf diesem Gebiete anerkennt, für den Sammler von heute und morgen als Anregung, eine
Jahrhunderte alte Tradition des Sammelns von chinesischem Porzellan in Deutschland erneut
aufzunehmen. Verlangen nicht chinesische Porzellane des Johanneums in Dresden (Nr. 77 und
91), also der Sammlung August des Starken, nach den Verlusten in Dresden heute unsere
besondere sammlerische Betreuung? Der Krieg hat sie zu Seltenheiten gemachtI
Anderes hat schon immer zu den Seltenheiten gehört, wie die derbfrische Chou-Vase der
ehern. Sammlung des Sinologen Friedrich Hirth in Gotha (Nr. 48), wie die Amphorenvase
mit hellenistischen Anklängen (Nr. 51), die zwar den Stil der T’ang-Zeit bewahrt, sich aber
durch den härteren Scherben und die spiegelnd opalisierende Glasur als Arbeit der Liao erweist,
oder das an sich unscheinbare Schälchen (Nr. 54), das mit seiner shu fu-Marke durch das Ko-ku
Yao-lun von 1387 als ein Porzellan der Yüan-Zeit aus Ching-te Chen ausgewiesen wird.
Von Ming-Porzellanen ist vor allem die Wan-li-Zeit mit einigen Beispielen vertreten, sei
es durch in Bestimmung und Dekor rein chinesische Geräte, wie die farbige Pinselbank mit
der Marke (Nr. 61) und die große, bauchige Vase mit der Darstellung der vier Künste
(Nr. 62) oder die Balustervase der ehern. Sammlung Hesse (Nr. 63), die in ihrem Lotosranken-
dekor den Geschmack der islamischen Besteller widerspiegelt.
Das Hauptgewicht dieser kleinen Sammlung aber beruht auf den Porzellanen der klassischen
K’ang-hsi-Periode, die sowohl durch gutes Blauweiß, wie durch Familie verte-Porzellane, teil-
weise auf farbigen Gründen von Eisenrot, Powder blue und Cafe au lait, und durch die
Flaschenvase mit blühendem Pflaumenbaum in Schmelzfarben auf gebranntem Scherben (Nr. 94)
vertreten ist. Zwischen der Klassik der K’ang-hsi-Zeit und dem Rokoko der Ch’ien-lung-Zeit
steht die stattliche Deckelvase der Yung-cheng-Zeit (Nr. 95), die in ihren transluziden Emails
noch den Charakter der Familie verte bewahrt, aber doch schon die Farben der Familie rose
verwendet. Der dreiteilige Vasensatz (Nr. 97) repräsentiert schließlich charakteristisch das chine-
sische Rokoko in der heiteren Helligkeit der rosa Gattung, zu der die Farben eines Francois
Boucher den chinesischen Porzellankünstlern von Ching-te Chen die Anregung gegeben hatten.
Köln, im März 1954.
L. Reidemeister
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