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Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus <Berlin> [Hrsg.]
Katalog / Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin: Sammlung des verstorbenen geheimen Regierungsrats und früheren Direktors des Koenigl. Kupferstichkabinetts zu Berlin Friedrich Lippmann: Versteigerung: Dienstag, den 26. November, Mittwoch, den 27. November, 1912 — Berlin, Nr. 1661.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.15212#0010
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m Herbst 1903 ist Friedrich Lippniann gestorben. Jetzt steht
sein Privatbesitz an Kunstsachen zum Verkauf, und diese Dinge,
mit denen er sich umgeben hatte, wecken wehmütige Er-
innerungen an eine dem Berliner Kunstleben zu früh ent-
rissene Persönlichkeit. Als Lippmanns Denkmal bleibt das
Kupferstichkabinett, jene Abteilung der Museen, der seine amtliche
Wirksamkeit gewidmet war, das Kupferstichkabinett, das er nicht nur
unendlich bereichert, sondern eigentlich erst begründet hat. Hier hat
er in großem Stile gesammelt und zu Nutz und Frommen der All-
gemeinheit über seine Lebensdauer hinaus gewirkt.

Bescheiden im Umfang, aber anspruchsvoll in bezug auf die Qualität
erscheint die Privatsammlung, wenn anders der Kunstbesitz, mit
dem Lippmann sich sein Heim gestaltete, eine Sammlung genannt
werden darf. Auf Kleinliches und Geringfügiges konnte eine so groß
angelegte Natur die Passion der Mußestunden nicht richten, und ihre
elementare Kunstliebe mußte sich auch im engeren, im häuslichen Kreise
betätigen.

Lippmann hat Wertvolles in der kunstgeschichtlichen Literatur
hinterlassen, außer dem Korpus der Dürerzeichnungen verschiedene
Abhandlungen über ältere Graphik, Schriften, die sachkundig und von
hohem Standpunkt aufklärend gewirkt haben und noch wirken. Wer
ihn aber gekannt hat und sich in persönlichem Umgang an seiner Laune,
seinem Temperament erquicken durfte, mag in den Schriften den vollen
Reiz seiner Natur vermissen. Lippmann schrieb ungern und schwer,
er unterdrückte die Originalität seines Geistes am Schreibtische mit dem
Ziele der Korrektheit und der wissenschaftlichen Objektivität vor Augen.
Die literarische Produktion war nicht eine ebenso natürliche Äußerung
dieser tatkräftigen und beweglichen Persönlichkeit wie das Sammeln.

Lippmann war, wenn nicht unfehlbar im Urteil, so doch sicher bis
zur Genialität in Geschmacksfragen, solange er sich in der Kunstwelt
des 15. und 16. Jahrhunderts bewegte.

Sein Verständnis stammte weniger aus mühsamen Studien und
Erfahrungen, denn aus angeborener Begabung und warmer Neigung.
Dem 17. und 18. Jahrhundert stand er mit kühlerer Empfindung gegenüber,
und dem 19. Jahrhundert mit Mißtrauen. Die Wohnräume spiegelten
den also gerichteten Geschmack des Hausherrn wider. Überreich mit
Kunst gefüllt, wirkten sie harmonisch, natürlich und behaglich, mit einer
breiten, männlichen Behaglichkeit.

Lippmann kaufte nicht Meisternamen, sondern Kunstwerke. Namen
erhielten die Bilder zumeist erst nach der Erwerbung. Ich durfte des
öfteren bei der „Bestimmung" helfen. Heute gehen die alten Bilder wie
Wertpapiere um, die ohne Meisterdeklaration keinen Kurs haben, und
das natürliche Verhältnis des Sammlers zum Kunstwerk ist selten und
 
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