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it dem Nachlasse des Geheimen Hofrates Hermann Dobriko.w
erscheint, wohl zum ersten Male seit dem Kriege, die Sammlung eines
alten, deutschen Residenten in China auf dem europäischen Markte. Sie
hatte von allen den größten Ruf, obwohl sich wenige rühmen konnten, sie ge-
sehen zu haben.

Dobrikow war im Jahre 1900 dem deutschen Gesandten Mumm von Schwarzen-
stein als Kanzler nach Peking gefolgt, als nach der Ermordung des Freiherrn von
Ketteier und den Boxerwirren die zerrissenen diplomatischen Beziehungen mit China
wieder aufgenommen wurden, und er hat China bis zu seinem Tode im Jahre 1928
nur zu kurzem Heimaturlaub verlassen. Selbst als China gezwungen wurde, in den
Weltkrieg gegen Deutschland einzutreten, blieb er, der holländischen Gesandtschaft
beigegeben, als Hüter der Archive und des Gesandtschaftsgebäudes in China, und
auch nach seinem Übertritte in den Ruhestand vermochte er sich von seinem ge-
liebten Peking nicht zu trennen. Dobrikow war, wie es manchem Europäer in China
geht, unversehens selbst ein halber Chinese geworden und konnte sich in den engen
und wohl polizierten Verhältnissen Europas nicht mehr zurechtfinden. Die chinesische
Sprache hatte er gründlich erlernt, wenn die Schrift sich ihm auch versagte; er
fühlte sich daher in China zu Hause und zog den Verkehr mit hervorragenden
Chinesen in der Regel dem Verkehr mit Europäern vor.

Die unruhige Boxerzeit und die Ausplünderung der Hauptstadt Peking durch
Chinesen und Nichtchinesen, die sie abschloß, hatten im Jahre 1900 den chinesischen
Markt kurze Zeit mit Kunstwerken aller Art und jeden Wertes überschwemmt. Alles,
was damals in Peking lebte, kaufte freudig und kindlich darauf los. Dobrikow gehörte
zu den wenigen Europäern, die sich nicht mit dem äußeren Schein begnügten, obwohl
ihm die schwierigen ersten Verhandlungen mit den chinesischen Behörden schwerlich die
Zeit ließen, sich mit chinesischer Kunst ernsthaft zu beschäftigen. Vor allem hatte
es ihm die Keramik angetan, zu der ihn wohl auch die Freundschaft mit dem größten
europäischen Porzellanhändler, dem Deutschen Runge, den Weg wies. Später kamen
ihm die vortrefflichen persönlichen Beziehungen zu den Vorstehern der Kunst-
händlergilde bei dein allmählichen Ausbau seiner Sammlungen zustatten. Jedenfalls
hatte nach wenigen Jahren die Sammlung Dobrikovvs in ganz Ostasien einen guten
Buf, der noch dadurch gesteigert wurde, daß es keineswegs leicht war, zu ihr vor^
zudringen. Dobrikow hütete seine Schätze, die seine Wohnung bis zum Bersten
füllten und kaum noch ein menschliches Leben neben sich verstatteten, eifersüchtig:
sie zu zeigen galt dem etwas schwierigen alten Herrn schon als Beweis beinahe
freundschaftlicher Gesinnung. Allerdings hatte er auch die Lasten seines Bufes bald
kennengelernt. Jeder Deutsche und mancher Nichtdeutsche von Gewicht, der kürzere
oder längere Zeit China besuchte und der chinesischen Kunst nicht ganz gleichgültig
gegenüberstand, wandte sich zunächst an Dobrikow mit der Bitte um Bat und Hilfe.

Zu den eigentlichen Prunkstücken der chinesischen Keramik, die auch in der
günstigsten Zeit nur sehr wenigen erreichbar waren, versperrte Dobrikow sein
schmales Beamtengehalt den Weg. Die großen Monochrome und Emaux sur biseuit
 
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