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Lippmann, Friedrich [Hrsg.]; Cranach, Lucas [Ill.]
Lucas Cranach: Sammlung von Nachbildungen seiner vorzüglichsten Holzschnitte und seiner Stiche — Berlin, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.21950#0011
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^nsickt von WittsnberZ vorn ^abl- 1551.

nter den Meistern, die der deutschen R.unst
des sech^ehnten Iahrhunderts das Gepräge
geben, nennt man Lucas Granach als
dritten neben Dürer und Holbein. An
die höchsten Ligenschaften der Kunst, an
die Gestaltungskraft, die Dürers Größe
ausmacht, an die Herrschaft über die
^ormen der menschlichen Phpsiognomie, die Holbeins Xuhmes-
titel bildet, reicht Granachs Schaffen kaum in ein^elnen glück-
lichen Stunden heran. Aber Granach ist eine scharf ausge-
prägte, auf sich selbst beruhende künstlerische Individualität,
die mit ihrem eigenen Maßstab gemessen sein will und die Gigen-
schaften ansiehendster Art aufweist. Die äußeren Amstände,
unter denen sich sein langes Leben abspielt, eine behaglich
bürgerliche Lxisten), entfernt von den damaligen Mittelpunkten
des Vamstlebens, seine Stellung am Hofe, seine weitgehende
Geilnahme an abseits der I.unst liegenden Interessen haben auf
sein ursprünglich energisches Galent lähmend gewirkt. Gra-
nachs R.uhm beeinträchtigt vor allem der Amstand, daß eine
Menge von Merken unter seinem Namen in die Melt hinaus-
ging, die nur )um geringen Teil von seiner Hand, oder auch
gan? und gar Produkte eines umfassenden Merkstattbetriebes
waren. Mo wir seine echten Arbeiten vor uns haben aus der
Ieit, in der die ursprüngliche Frische seines Talentes vorhielt
und dieses ?um unbefangenen Durchbruch kommt, kann er durch
markige T<raft und feine Beobachtung uns fesseln oder durch
retzende Anmut und die naive phantastik entssicken, mit der er
seine künstlerische Traumwelt vor uns ausbreitet.

Solcher Art sind gan) besonders die frühen Malereien,
die Holsschuitte und ^Zeichnungen Granachs. Mir vergessen
ihnen gegenüber leicht, dasi der Aünstler in strengerer ^ormen-
kenntnis und im eingehenden Studium der menschlichen Gestalt
sich nie geschult hat.

Lucas Granach war geboren 1472 im fränkischen Städt-
chen A.ronach. Gb sein Zamilienname Lunder war, wie ange-
nommen worden ist, bleibt -.weifelhaft, thatsächlich schrieb er
selbst sich immer Granach, und wo er in Arkunden genannt
wird, kommt ausschließlich dieser Name vor, ein oder das andere
Mal auch in der Lchreibung I.ranach. Äber die Iugencheit,
die Bildung und die frühe künstlerische Lntwickelung Granachs
liegt ein, wie es scheint, undurchdringliches Dunkel. Aus einer
kurz nach seinem Gode auf ihn verfaßten Lobrede, die als

Gedenkblatt 1AS6 in den Turmknopf der Mittenberger Btadt-
kirche niedergelegt wurde, könnte man schließen, Granach ent-
stamme einer A.ünstlerfamilie, denn hier wird gesagt, daß er
Aunstunterricht von seinem Vater empfangen habe „3 patre
arterri Zraxikicslii äiäieit".

Von Lucas Granachs in R.ronach lebendem Bater weiß
die B.unstgeschichte nichts, und es muß dahingestellt bleiben,
wie der Ausdruck „ars Arapliica" auHufassen sei. Naheliegend
wäre es, darunter I^upferstechen und Holsschneiden )u verstehen,
doch ist die Deutung auf alle Arten der zeichnenden Aünste mög-
lich, Malerei mit eingeschlossen. Lucas Granach muß daneben
eine für seine Ieit gute Schulbildung genossen haben. Abge-
sehen von seiner Stellung und dem Ansehen, das er am Hofe
der sächsischen Vmrfürsten genoß, setzt sein Nerkehr mit Männern
wie Luther, Melanchthon, Äpalatin voraus, daß er sich in
den Formen der Gebildeten seiner Ieit ?u bewegen wußte.

Mir dürfen annehmen, daß Granach, der allgemeinen Sitte
funger Nünstler folgend, nach der Beendigung seiner Lehr^eit
auf die Manderschaft ge?ogen ist. Mohin ihn sein Meg führte,
welche Linwirkungen ihm die Bichtung gaben, auf der wir
ihn später sich bewegsn sichen, darüber lassen sich kaum Mut-
maßungen anste'llen.i ,Lr..tritL uns sofort als schon fertiger
Väinstler entgegEn. " Sein friihestes be^eichnetes und datiertes Ge-
mälde ist eine »Nuhe aus der Zlucht« von 1ZO4, fetzt im Besitz
von Or. I^onrad Ziedler in München. Ls stammt also aus
demselben Iahre, in welchem er an den Hof Zriedrichs des
Meisen, des Aurfürsten von Bachsen, berufen wurde. Damals
war Lranach Z2 Iahre alt. Vergeblich suchen wir nach seinen
Arbeiten, Malereien, Stichen oder Holsschnitten aus früherer
Ieit. Lr hatte aber bereits eine lange Lntwickelung durchge-
macht, denn jenes Bild ?eigt ihn auf der Höhe seines Aönnens,
fa ist vielleicht das vortrefflichste von seiner Hand, das wir
besitzen. Naivität und Anmut der Lmpfindung, die sorgfältigste
Durchführung und edelsteinartige Glut der Zarben machen es
einem Iuwel der deutschen Aunst.

Als Lranach 1SO4 an den Hof Friedrichs des Meisen kam,
muß er ein Bäinstler von Nuf gewesen sein, er erhält sofort als
festes Iahresgehalt 10O Gulden, während seine Vorgänger, die
früheren Hofmaler, mit nur 4O Gulden besoldet waren.

Der frühefte datierte Holsschnitt Granachs, eine »Berehrung
des Gekreusigten durch Iohannes, Maria, die Heiligen B.ochus
und Sebastian« (Gaf. 1), trägt die Iahres?ahl 1ZOZ. Bon da

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