II. Kapitel. Die florentiner Schule. Erste Generation. 289
köpfe rechts im Fenster, mit der tief bräunlichen Carnation, die ge-
waltigen Greisengestalten im linken Fenster bei der Beerdigung des
h. Laurentius, alles das sind Eindrücke, welche an die Fresken der
Cappella Brancacci erinnern. Gewisse starke Verkürzungen der auf-
und niederblickenden Köpfe, besonders in der Beerdigung des Stephanus,,
sind noch nicht ganz gelungen, beweisen aber deutlich genug die
Tendenzen dieser neuen Kunstrichtung. Sollte Masolino, dessen Name
am Gewölbe zu lesen ist und sich also auf die dortigen Gemälde be-
zieht, die Arbeiten unterbrochen haben und durch einen andern, der
neuen Richtung angehörenden Künstler, der durch Masaccio beeinflusst
war, ersetzt worden sein? Selbst die etwas unbehiilfliche Weise, wie
die Compositionen über die Wandecken sogar bis in die Fenster-
laibungen fortgeführt sind, würde gut stimmen zu der unbekümmerten
Rücksichtslosigkeit eines jugendlichen Künstlers, der im ersten Anlauf,
nachdem er die Fesseln einer architektonisch abgewogenen Compo-
sitionsweise abgestreift, seinem kühnen Naturalismus kaum Halt zu
gebieten weiss.
Der zweite Cyclus, im Baptisterium, giebt Scenen aus dem
Leben Johannes des Täufers. Der kleine Raum bildet ein Quadrat
mit anstossender Apsis und ist am Gewölbe und den Wänden mit zum
Theil wohlerhaltenen Fresken völlig bedeckt. An den Wänden sieht
man Zacharias im Tempel, eine stark zerstörte Darstellung; darauf
folgte wahrscheinlich seine Begegnung mit Elisabeth und auf der andern
Seite die Geburt des Johannes, diese Darstellungen sämmtlich stark
zerstört. Dann folgt Zacharias, der den Namen seines Sohnes schreibt,
weiter an der Chorwand in der Bogenlaibung je drei Kirchenväter
und Propheten; im Chor Johannes’ Predigt in der Wüste, die Taufe
Christi, Johannes vor Herodias, seine Gefangennahme, endlich auf der
andern Seite der Chorwand die Enthauptung und auf der anstossenden
südlichen Wand die Tochter der Herodias vor dem an der Tafel
sitzenden Herodes erscheinend und gleich gegenüber in einer offnen
Halle ihrer Mutter das Haupt des Täufers überreichend, während im
Hintergrund am Abhang des Gebirges man die Beerdigung des Hin-
gerichteten sieht. An den Gewölbkappen endlich sind die vier Evange-
listen dargestellt. Auch hier ist zunächst auffallend, dass der Stil dei'
Gewölbmalereien von dem der Wandbilder sich wesentlich unterscheidet.
Die schwebenden Engel mit dem Medaillonbilde Gottvaters am Chor-
gewölbe, die Kirchenväter und Propheten an der Laibung des Chor-
bogens, endlich die Evangelisten am Kreuzgewölbe verrathen noch
Lübke, Italien. Malerei. I. 19
köpfe rechts im Fenster, mit der tief bräunlichen Carnation, die ge-
waltigen Greisengestalten im linken Fenster bei der Beerdigung des
h. Laurentius, alles das sind Eindrücke, welche an die Fresken der
Cappella Brancacci erinnern. Gewisse starke Verkürzungen der auf-
und niederblickenden Köpfe, besonders in der Beerdigung des Stephanus,,
sind noch nicht ganz gelungen, beweisen aber deutlich genug die
Tendenzen dieser neuen Kunstrichtung. Sollte Masolino, dessen Name
am Gewölbe zu lesen ist und sich also auf die dortigen Gemälde be-
zieht, die Arbeiten unterbrochen haben und durch einen andern, der
neuen Richtung angehörenden Künstler, der durch Masaccio beeinflusst
war, ersetzt worden sein? Selbst die etwas unbehiilfliche Weise, wie
die Compositionen über die Wandecken sogar bis in die Fenster-
laibungen fortgeführt sind, würde gut stimmen zu der unbekümmerten
Rücksichtslosigkeit eines jugendlichen Künstlers, der im ersten Anlauf,
nachdem er die Fesseln einer architektonisch abgewogenen Compo-
sitionsweise abgestreift, seinem kühnen Naturalismus kaum Halt zu
gebieten weiss.
Der zweite Cyclus, im Baptisterium, giebt Scenen aus dem
Leben Johannes des Täufers. Der kleine Raum bildet ein Quadrat
mit anstossender Apsis und ist am Gewölbe und den Wänden mit zum
Theil wohlerhaltenen Fresken völlig bedeckt. An den Wänden sieht
man Zacharias im Tempel, eine stark zerstörte Darstellung; darauf
folgte wahrscheinlich seine Begegnung mit Elisabeth und auf der andern
Seite die Geburt des Johannes, diese Darstellungen sämmtlich stark
zerstört. Dann folgt Zacharias, der den Namen seines Sohnes schreibt,
weiter an der Chorwand in der Bogenlaibung je drei Kirchenväter
und Propheten; im Chor Johannes’ Predigt in der Wüste, die Taufe
Christi, Johannes vor Herodias, seine Gefangennahme, endlich auf der
andern Seite der Chorwand die Enthauptung und auf der anstossenden
südlichen Wand die Tochter der Herodias vor dem an der Tafel
sitzenden Herodes erscheinend und gleich gegenüber in einer offnen
Halle ihrer Mutter das Haupt des Täufers überreichend, während im
Hintergrund am Abhang des Gebirges man die Beerdigung des Hin-
gerichteten sieht. An den Gewölbkappen endlich sind die vier Evange-
listen dargestellt. Auch hier ist zunächst auffallend, dass der Stil dei'
Gewölbmalereien von dem der Wandbilder sich wesentlich unterscheidet.
Die schwebenden Engel mit dem Medaillonbilde Gottvaters am Chor-
gewölbe, die Kirchenväter und Propheten an der Laibung des Chor-
bogens, endlich die Evangelisten am Kreuzgewölbe verrathen noch
Lübke, Italien. Malerei. I. 19