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Vorwort

Nicht eine Darstellung der Geschichte oder der Entwicklung der
abendländischen Kunst des 15. Jahrhunderts, sondern eine Deutung von
5inn und Wesen der Kunst dieses Jahrhunderts des Wirklichkeitssinnes
ist Kufgabe vorliegender Untersuchung. Das Kunstwerk, vor dem man
im Mittelalter Und acht empfand, wird im 15. Jahrhundert einer gedank-
lichen und kritischen Beurteilung zugänglich; Natur und Wirklichkeit
treten als formgestaltende Mächte in das Bewußtsein des schaffenden
Künstlers. Vie Folge ist eine neue, dem Mittelalter fremde Einstellung
des Menschen zur Kunst.
Jede neue Nrt des künstlerischen Fühlens und Lehens, auch die
unserer Tage, zwingt die kunstgeschichtliche Forschung zu einer neuen
Betrachtungsweise. Mit der Betrachtungsweise gleichbedeutend ist der
Nusgangspunkt der Untersuchung. Da für den Ausgangspunkt die ganze
Nrt und weise, wie jemand überhaupt an wissenschaftliches Arbeiten
herangeht, maßgebend ist, ist diese erste und letzte künstlerische Einstel-
lung nichts anderes als eine unbeweisbare Angelegenheit der Weltan-
schauung.
Deshalb erübrigt es sich, auf die Notwendigkeit einer neuen
Betrachtungsweise einzugehen. Folgt sie dem triebhaften Wollen
eines werdenden Geschlechts, gehört ihr die Zukunft; ob morgen oder
übermorgen, ist ohne Belang. Sie wird sich durchsetzen, wenn sie die
werte umfaßt, die in Leben, Kunst und Wissenschaft als lebendige Kräfte
des Leins zu wirken bestimmt sind.
Kürze und Linnfälligkeit der Darstellung entspricht der Gesinnung
unserer Zeit. Zumal wenn nicht so sehr die Neuartigkeit der Ergebnisse
von Einzeluntersuchungen in Frage steht als vielmehr die systematische
Organisation der Gesamtheit des Stoffes. Mit freudiger Genugtuung muß
es erfüllen, Ergebnisse und Begriffsbestimmungen anderer Forscher mög-
lichst in der einmal vorliegenden Form übernehmen zu können, weil nur
so auf dem Wege zu einer allgemeinen Kunstgeschichte sich langsam der
 
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