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Tische, Ztühle, wird über Eck gestellt *). 5o ist es in der Grablegung des
Bregenzer Meisters aus dem Anfang des iS. Jahrhunderts im Münche-
ner National-Museum, so im Magdalenenaltar des Lukas Moser in
Tiefenbronn aus dem Jahre 14Z1, so in dem Altarwerke Meister
Frankes, das die Englandfahrer im Jahre 1424 in Auftrag gaben, so
auch bei Hans Multscher in seinen berliner Tafeln von 1457.
Daß mit dieser Auffassung die Einheit der Bildform nicht leicht
gewahrt werden konnte, liegt auf der Hand. Cs fehlt den deutschen
Malern des frühen 15. Jahrhunderts an künstlerischer Disziplin.
Vie Fähigkeit, auf der ebenen Bildfläche Körper so darstellen zu
können, wie sie nach Auffassung dieser Maler in der Wirklichkeit da-
stehen, diese Fähigkeit überwältigte sie so, daß sie ihr alles andere zu
opfern bereit waren. Vas mag seine innere Begründung darin finden,
daß die innige Liebe zur Natur den deutschen Künstler veranlaßte, sich
ganz dem einen Triebe hinzugeben, in dem 5inn jeder Einzelform die
wesenhafte Ganzheit der Natur offenbaren zu wollen, yinströmendes
Gefühl aber schließt die künstlerische Disziplin aus.
Vieser künstlerischen Disziplin nun sollte es vorbehalten bleiben,
den Wirklichkeitssinn für die Bildanschauung des 15. Jahrhunderts am
frühesten fruchtbar zu machen. Wo sie herrschte, konnte zuerst der
Achritt aus der Flächengestaltung in die zentral-perspektivische Bild-
einheit der neuen Zeit glücken. Oie niederländische Kunst, Hubert und
Jan van Eyck lösten dieses größte Problem des Wirklichkeitssinnes des
15. Jahrhunderts. Vas größte Altarwerk der Zeit, der Genter Ältar,
bedeutet für die nordische Kunst eine alles andere überstrahlende künst-
lerische Tat. hier zum ersten Male im 2. und Z. Jahrzehnt des 15. Jahr-
hunderts herrscht diesseits der Alpen Geschlossenheit und Einheit der
Komposition, herrscht strenge innere Regelmäßigkeit des Formaufbaus,
Einheit der Raumgestaltung und Körperwirkung. Wie sich diese schöne
Geschlossenheit der Sildaufsassung durch die Mischung germanischer und
romanischer Formmerkmale ausbildete, werden wir im folgenden zu
beobachten haben.
*) Glaser, Turt: Zwei Jahrhunderte deutscher Malerei, München ISIS,
S. 2, 56, 6l ff.
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Tische, Ztühle, wird über Eck gestellt *). 5o ist es in der Grablegung des
Bregenzer Meisters aus dem Anfang des iS. Jahrhunderts im Münche-
ner National-Museum, so im Magdalenenaltar des Lukas Moser in
Tiefenbronn aus dem Jahre 14Z1, so in dem Altarwerke Meister
Frankes, das die Englandfahrer im Jahre 1424 in Auftrag gaben, so
auch bei Hans Multscher in seinen berliner Tafeln von 1457.
Daß mit dieser Auffassung die Einheit der Bildform nicht leicht
gewahrt werden konnte, liegt auf der Hand. Cs fehlt den deutschen
Malern des frühen 15. Jahrhunderts an künstlerischer Disziplin.
Vie Fähigkeit, auf der ebenen Bildfläche Körper so darstellen zu
können, wie sie nach Auffassung dieser Maler in der Wirklichkeit da-
stehen, diese Fähigkeit überwältigte sie so, daß sie ihr alles andere zu
opfern bereit waren. Vas mag seine innere Begründung darin finden,
daß die innige Liebe zur Natur den deutschen Künstler veranlaßte, sich
ganz dem einen Triebe hinzugeben, in dem 5inn jeder Einzelform die
wesenhafte Ganzheit der Natur offenbaren zu wollen, yinströmendes
Gefühl aber schließt die künstlerische Disziplin aus.
Vieser künstlerischen Disziplin nun sollte es vorbehalten bleiben,
den Wirklichkeitssinn für die Bildanschauung des 15. Jahrhunderts am
frühesten fruchtbar zu machen. Wo sie herrschte, konnte zuerst der
Achritt aus der Flächengestaltung in die zentral-perspektivische Bild-
einheit der neuen Zeit glücken. Oie niederländische Kunst, Hubert und
Jan van Eyck lösten dieses größte Problem des Wirklichkeitssinnes des
15. Jahrhunderts. Vas größte Altarwerk der Zeit, der Genter Ältar,
bedeutet für die nordische Kunst eine alles andere überstrahlende künst-
lerische Tat. hier zum ersten Male im 2. und Z. Jahrzehnt des 15. Jahr-
hunderts herrscht diesseits der Alpen Geschlossenheit und Einheit der
Komposition, herrscht strenge innere Regelmäßigkeit des Formaufbaus,
Einheit der Raumgestaltung und Körperwirkung. Wie sich diese schöne
Geschlossenheit der Sildaufsassung durch die Mischung germanischer und
romanischer Formmerkmale ausbildete, werden wir im folgenden zu
beobachten haben.
*) Glaser, Turt: Zwei Jahrhunderte deutscher Malerei, München ISIS,
S. 2, 56, 6l ff.
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