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Luschka, Hubert von
Die Lage der Bauch-Organe des Menschen — Tübingen, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.14570#0020
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der hinteren Beckenwand nach vorn abweicht und nicht blos an seinem
vorderen, sondern auch am hinteren Umfange von Darmschlingen be-
rührt wird. Die Längenaxe des Organes soll in einem fast rechten
Winkel zu seiner Vaginalportion stehen, und der Fundus in dieDirection des
Nabels fallen, der Muttermund aber gegen das Ende des Steissbeines
gekehrt sein.

Einen scharfen Gegensatz zu diesen Angaben bilden die von
M. Claudius1) gemachten Erfahrungen, nach welchen in der über-
wiegenden Mehrzahl der Fälle der Uterus sowie die breiten Mutter-
bänder und die Ovarien der hinteren Beckenwand unü dem Mastdärme
grad so dicht anliegen, wie etwa die Lungen der Rippenwand. Auch
während der Schwangerschaft berührt der Uterus die hintere Becken-
wand bis zum Promontorium hinauf, um dieselbe bei der Involution
nicht wieder zu verlassen. Der Eierstock ruht in einer seichten Grube
— Jossa ovarii —, welche in demjenigen fetthaltigen Bindegewebe
ausgetieft ist, das am oberen Rande des Muse, piriformis die zum
Durchtritte der Vasa glutea superiora dienende Lücke vollends ausfüllt.
Die Vorderseite des Ovarium wird von der Ala vespertilionis ganz be-
deckt, so dass nirgends Därme mit demselben in Berührung kommen.
Die Tube verläuft dem convexen Rande des Eierstockes entlang nach
aussen und biegt sich dann so abwärts hinter das Ovarium, dass das
Infundibulum in der lateralen Hälfte der Fossa ovarii zwischen dem
Grunde der Grube und der Hinterseite des Eierstockes eingeschlossen ist.

Nach der Wahrnehmung, die ich an dem Taf. V. Fig. III. abge-
bildeten Durchschnitte gemacht habe, welcher in der Richtung seiner
oberen Apertur durch das Becken einer fest gefrorenen weiblichen
Leiche hergestellt wurde, könnte man geneigt sein, sich den Angaben
von Claudius anzuschliessen. Wenn man an jener Figur das Verhält-
niss der breiten Mutterbänder zu derjenigen Abtheilung des parietalen
Bauchfelles betrachtet, welche aus der Umbiegung ihres hinteren Blattes
hervorgeht, und überdies in Erwägung zieht, dass der Uterus in eine
seinem hinteren Umfange durchaus congruente, von einem subperi-
tonealen Fettlager ausgepolsterte Peritonealnische eingefügt ist, möchte
man sich nicht leicht dafür entscheiden können, in dieser Anordnung
eine durch abnorme Einflüsse bedingte Rücklagerung der Gebärmutter
zu erblicken. Indem die hintere Seite des Uterus und seiner breiten
Bänder sich an das der hinteren Beckenwand angehörige parietale
Bauchfell glatt anschliesst, wdrd der sog. hintere Beckenraum, d. h.
das Cavum Douglasii, von welchem man anzunehmen pflegt, dass es
in der Regel Darmschlingen aufnehme, zu einer so engen Spalte redu-

zirt, dass nur eine dünne Schichte von Liquor peritonei die einander
zugekehrten serösen Flächen von einander trennt. Diese, wie mir
scheint, gesetzmässige Reduction des Douglasischen Raumes zu einer
engen Spalte, bringt unter anderem die Erklärung des unzweifelhaften
Vorkommens einer extrauterinalen Ueberwanderung des Eies2) dem
Verständnisse viel näher, als es mit der Annahme eines weit offenen,
Schlingen des Darmkanales enthaltenden Douglas'schen Raumes mög-
lich ist.

Unter den Gynäkologen scheint sich dieser Ansicht von der Lage
des Uterus und seiner Adnexa V. Hu et er3) zuzuwenden, indem er
bemerkt, dass, weil die hintere Wand des Uterus in viel grösserer
Ausdehnung, als die vordere vom Peritoneum überzogen ist, man an-
nehmen sollte, dass die Intestinalschlingen hinten weiter hinab als vorn
den Uterus bedecken. Die Erfahrung an Lebenden, sowie die Unter-
suchungen an Leichen sprechen jedoch nicht zu Gunsten einer solchen
noch ziemlich allgemein verbreiteten Voraussetzung. Das sparsame
mir zu Gebote gestandene Untersuchungsmaterial berechtigt mich nicht,
ein entscheidendes Urtheil darüber abzugeben, ob die Angaben von
Claudius auf die normale, oder auf eine pathologisch retrovertirte
Lage, des Uterus bezogen werden müssen. Gleichwohl habe ich die
Gelegenheit nicht versäumen wollen, jene unter allen Umständen lehr-
reiche Abbildung in der Literatur niederzulegen.

Bei der Rundung des Beckenumfanges und dem wechselnden Vo-
lumen des Intestinum egestivum und der Harnblase kann es nicht fehlen,
dass diese letzteren Organe auch auf die seitlichen, im reinen Profil zur
Ansicht gelangenden Gebiete des Beckens übergreifen. Indem wir diese
Organe jetzt nicht mehr weiter berücksichtigen, haben wir hier die Be-
ziehungen nur derjenigen Eingeweide in's Auge zu fassen, welche eine
ausschliessliche Beziehung zur Seitenwand des Beckens und zwar zum
Darmbeine haben, jedoch rechts und links nicht die gleiche Beschaffen-
heit darbieten. An die Innenseite des rechten Darmbeines, resp. an
den Muse, iliacus dexter lehnt sich theilweise das Colon ascendens, so-
wie der Blinddarm an, welcher bald mehr gegen die Höhle des kleinen
Beckens hereinragt, bald entlang der äusseren Hälfte des Poupart'schen
Bandes sich dicht an die Wand des Hypogastrium anschmiegt. Auf
der Innenseite des linken Darmbeines breitet sich die Flexura sig-
moidea aus, die auch hier schon an der hinteren Grenze desselben ihren
Uebergang in das Intestinum egestivum erfährt, übrigens ausserordent-
lichen Schwankungen des Lagerungsverhältnisses unterworfen ist.

II. Die Lage der Eingeweide

Ihrer physiologischen Bedeutung nach gehören von den im Bauche
enthaltenen Organen die meisten, nämlich der Magen, Darmkanal, die
Leber, das Pankreas dem Verdauungsapparate an, weshalb denn auch
sie für die Qualitäten jener Abtheilung des Rumpfes am meisten maass-
gebend sind. Ausserdem enthält das Cavum abdominis aber auch noch
einen Theil des Harnapparates, sowie lymphatische Gebilde, ferner Blut-
gefässstämme, und mächtige Nervenausbreitungen, welche überwiegend
aus dem Gangliensystem herzuleiten sind.

Nach ihren allgemeinen räumlichen Beziehungen hat man sich daran
gewöhnt, die Eingeweide des Bauches in „Organa extra und in Organa
intra saccum peritonei sita" einzutheilen. Das Verhalten des Perito-
neum zu den mit ihm überhaupt in Berührung kommenden Eingeweiden

1) Bericht über die XXIX. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. Giessen 1865.
S. 192.

2) Vgl. H. Luschka, Schwangerschaft in dem rechten rudimentären Hörne eines Uterus

des Bauches im Einzelnen.

ist aber nur insoweit ungleich, als es die einen bis auf sehr beschränkte,
dem Ein- und Austritt von Gefässen und Nerven dienende Stellen um-
hüllt, andere dagegen in grösserem Umfange frei lässt oder nur lose an
ihnen vorbeizieht. Jene alt hergebrachte Eintheilung der Baucheinge-
weide ist aber deshalb ganz unlogisch und irrthümlich, weil in Wahrheit
sämmtliche Organe des Bauches ausserhalb des Peritonealsackes liegen
und nur eben in wechselndem, sich nicht einmal immer gleich bleibendem
Grade mittelst Einstülpungen mehr oder weniger tief gegen sein dadurch
zu einer engen Spalte reduzirtes Cavum hereinragen.

Hinsichtlich des speziellen Lagerungsverhältnisses der einzelnen
Baucheingeweide erachten wir es für zweckmässig, dieselben in nach-
stehender Reihenfolge aufzuführen:

unicornis mit einem Corpus luteum verum im Eierstocke der entgegengesetzten Seite. Zeit-
schrift für Geburtskunde. 1863. S. 81.

3) Die Flexionen des Uterus. Leipzig 1870.
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