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Raddatz, Klaus; Hundt, Hans-Jürgen; Zedelius, Volker
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Heft 10): Grabfunde der römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit von Kirchweyhe und Osterholz: Kreis Grafschaft Hoya — Hildesheim: Verlag August Lax, 1976

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.63214#0043
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Eines der beiden Gefäße aus Terra Sigillata ist eine Reibeschale mit abgesetzter Wand (Kat. Nr.
6; Taf. 3, 1; 27, 1), die einen auf der Außenseite durch einen Löwenkopf verkleideten Ausguß
aufweist. In der Ausbildung des Standfußes und der Modellierung des Löwenkopfes entspricht das
Stück weitgehend der Form Gose 152 (GOSE 1950 Taf. 10), die der zweiten Hälfte des 3. Jhs. zu-
geschrieben wird.
Die zweite Schale aus Terra Sigillata (Kat. Nr. 7; Taf. 3, 2; 27, 2), deren Wandung mit einem
degenerierten Ornament in Barbotine verziert ist, das den ursprünglich floralen Charakter nur
noch ahnen läßt, kann als Form Gose 68 (GOSE 1950 Taf. 5) bestimmt werden. Diese Schale von
Kirchweyhe wäre demnach allgemein ins 3. Jh. zu stellen (LA BAUME 1971, 44).
Völlig aus dem Rahmen des üblichen Importgeschirrs fällt die ungewöhnlich große Terrine mit
umgelegtem Rand von Kirchweyhe (Kat. Nr. 12; Taf. 4; 29), die tiefschwarz reduzierend gebrannt
und mit dichten Drehrillen auf Außen- und Innenseite versehen ist. Die Form läßt sich — wenn
auch nur annähernd — mit dem Typ Gose 520 vergleichen, jedoch sind Unterschiede in der
Randbildung und in der Profilierung nicht zu übersehen, so daß der vom Vergleichsstück gegebene
Datierungshinweis in die erste Hälfte des 3. Jhs. nur mit Vorbehalt angeführt werden kann. Eine
gewisse Übereinstimmung, die durch den eingezogenen Unterteil und den umgebogenen Rand an-
gezeigt wird, läßt sich auch mit der mit einem Tierfries verzierten Terrine von Bremen-Mahndorf
beobachten (GROHNE 1953, 103; Taf. 7, 1.2), für die ein Ansatz um 300 und eine Herkunft aus
Nordfrankreich angegeben wird (LA BAUME 1971, 47). Jedoch sind auch in diesem Fall die
Übereinstimmungen nicht so eng, daß die Datierung des Mahndorfer Gefäßes — die auch nur sehr
vage zu begründen ist — ohne weiteres auf das Stück von Kirchweyhe übertragen werden könnte.
Bevor nicht bessere und zeitlich genauer fixierte Parallelen bekannt sind, wird man die Frage des
näheren Ansatzes und der Herkunft der Terrine von Kirchweyhe offen lassen und sich mit der
allgemeinen Zuweisung in die jüngere römische Kaiserzeit begnügen müssen.
Beide Gefäße aus Terra Sigillata von Kirchweyhe darf man wohl zum „besseren“ römischen
Küchengeschirr zählen. Welchen Wert die Stücke für die letzten Besitzer im Freien Germanien
hatten und wie sie im Haushalt verwendet wurden, ist zwar nicht zu bestimmen, doch wird man sie
in Anbetracht der Seltenheit importierter römischer Keramik als Zeichen gehobener Lebenshaltung
deuten dürfen. Eine römische Reibschale — einwandfrei Bestandteil des Küchengeschirrs — ist
bezeichnenderweise dem Grabe der „Fürstin“ von Haßleben beigegeben worden (SCHULZ 1933
Taf. 16, 4). Auch die große Terrine von Kirchweyhe dürfte — wie die importierten Bronzegefäße
— die Wohlhabenheit ihres Besitzers gekennzeichnet haben.

4.3.12 Zu den Textilspuren an den Bronzegefäßen
An mehreren Metallgefäßen von Kirchweyhe und Osterholz waren Spuren von Textilresten er-
kennbar oder Textilreste selbst erhalten (siehe auch den Beitrag von H. J. Hundt). Sie wurden in je
einem Fall in einem gerippten Fußbecken (Kirchweyhe Kat. Nr. 11) und einer Muschelschale
(Osterholz Kat. Nr. 5), in vier Fällen an Hemmoorer Eimern beobachtet (Osterholz Kat. Nr. 1, a;
2, a; 10; 11).
Überwiegend befanden sich die Textilreste auf der Innenseite (Kirchweyhe Kat. Nr. 11; Oster-
holz Kat. Nr. 1, a; 5; 11), in zwei Fällen auf der Außenseite (Osterholz Kat. Nr. 2, a; 10).
Das Vorkommen von Textilresten an bronzenen Leichenbrandbehältern hat bereits WILLERS
(1901, 87) unter Nachweis mehrerer Fälle und unter Anknüpfung an die von ihm behandelten Ge-
fäße besprochen und darauf hingewiesen, daß zwischen der Umhüllung der Leichenbrandbehälter
mit einem Tuch und den „zum Schutze des Leichenbrandes in die Eimer gelegten Leinwandstücken
scharf zu unterscheiden“ ist. Offenbar sind unmittelbar nach der Auffindung keine Protokolle
über Art und Umfang der Textilspuren an den Gefäßen von Kirchweyhe und Osterholz angefertigt

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