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Kruse, Karl Bernhard; Brandorff, Helmut
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 27): Der Hildesheimer Dom: von der Kaiserkapelle und den Karolingischen Kathedralkirchen bis zur Zerstörung 1945 : Grabungen und Bauuntersuchungen auf dem Domhügel 1988 bis 1999 — Hannover: Verlag Hahnsche Buchhandlung, 2000

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.69498#0357
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5.5 Archäometrische Untersuchungen an einem mittelalterlichen Riemen Verteiler
der Hildesheimer Domhofgrabung
von Stephanie Kaufmann und Wolfgang Brockner
Einleitung
Die archäologische Grabung 1992 auf dem Gelände des Domhofes (Leunishof, Gymnasium Josephi-
num) im Zentrum von Hildesheim (Kruse 1992) erbrachte als bemerkenswerten Fund in einer Sied-
lungsschicht des 9. Jh. n. Chr. ein Fragment eines kleeblattförmigen Riemenverteilers, welcher in Mate-
rialkomposition und Verwendung in dieser Kombination unseres Wissens singulär ist. Kleeblattförmige
Riemenverteiler werden als funktionaler Bestandteil von Schwertgurtgarnituren und Pferdegeschirren
beschrieben (Abb. 1) (Capelle 1968; Menghin 1973; Wamers 1981; Vinski 1983; Mitchell 1994).
Auffällig ist auch, daß die bislang bekannten Exemplare im wesentlichen aus der nördlichen (wikingi-
schen) und süd-südöstlichen Peripherie der karolingischen Einflußsphäre stammen (Capelle 1992). In
der Regel sind die karolingischen Riemenverteiler gegossene, hochwertige (Einzel)-Anfertigungen aus
Edelmetallen (meist Silber) oder Edelmetall-Legierungen, deren Schauseite reliefartig mit der für diese
Zeit typischen (Pflanzen-)Ornamentik verziert ist. Das Hildesheimer Fundstück (FNr. 343) weist diese
typischen Verzierungen nicht auf, da seine Schauseite mit einer Tauschierarbeit gestaltet worden ist
(Abb. 2), und es wird, da auf karolingischem Reichsgebiet gefunden, als karolingisch bezeichnet und ins
9. Jh. n. Chr. datiert (Capelle 1992). Zur weiteren Klärung des Aufbaues und der Herstellungs- und
Verzierungstechnik des genannten Riemenverteilers sind mikroskopische und rasterelektronenmikros-
kopische (REM) Untersuchungen durchgeführt worden.
Fundbeschreibung
Das zur Untersuchung gelangte, restaurierte1 Fragment des (offenbar) ursprünglich kleeblattförmigen
Riemenverteilers ist in Abb. 2b wiedergegeben. Die Röntgenaufnahme des Originals zeigt Abb. 2a, seine
Rekonstruktion Abb. 2c. Im fragmentarisch erhaltenen Exemplar sind noch zwei zungenförmige Teile,
die über ein trianguläres Mittelfeld verbunden sind, vorhanden (Gesamtlänge: 8,7 cm, maximale Breite:
3,0 cm). Der dritte „Dreiecksschenkel“ fehlt. Auf der Rückseite der noch vorhandenen „Schenkel“
befinden sich jeweils die Reste eines Eisenniets, der zur Befestigung der Riemen diente. Die Dekorfel-
der auf der Vorderseite sind durch eine Reihe von fünf kreisförmigen Vertiefungen voneinander abge-
setzt (Abb. 2a). Diese Vertiefungen dienten der Aufnahme von Nieten mit halbkugeligen Köpfen, von
denen noch ein Messingkopf mit Eisenniet vorhanden ist (Abb. 3).
Der Basiskörper des Riemenverteilers besteht aus Eisen. Als Dekor sind auf der leicht konvexen Schau-
seite Silber- und Kupferdrähte wechselnd in enger Kreuzschraffur durch Tauschierung eingearbeitet, so
daß ein flächig erscheinendes, geometrisches Muster mit dominierenden Sechsecken auf den Kleeblatt-
zungen entsteht2. Das verbindende Dreiecksfeld und die Zungendekoration sind durch zwei gegenein-
ander laufende, aus tordierten bichromen Streifen tauschierte Kupfer-Silber-Umrandungen, hervorge-
hoben (Abb. 4). Diese Randornamentgestaltung ist teilweise unterbrochen (vgl. Abb. 4 u. 6), was aber
den Gesamteindruck nicht verändert. Unterschiedliche Tauschierungstechniken können bis in 4. Jahr-
tausend v. Chr. zurückverfolgt werden (Roth 1986). Die älteste, erhaltene Überlieferung über Tau-
schierungstechniken findet sich in der Schedula des Theophilus Presbyter aus dem frühen 12. Jh. n.Chr.
(Theobald 1933; zur Datierung: Freise 1981; Brepohl 1987). Es gibt verschiedene Tauschierungs-
techniken, die hier nur kurz skizziert werden sollen (Born 1994).

1 Restauriert von Frau V. Fendel, Gehrden.
2 Relikte von Goldtauschierungen sind mikroskopisch erkennbar, jedoch konnten sie durch starke Aufladungen und damit zu
starker Belastung des Materials nicht im REM gemessen werden.

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