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Ludowici, Babette
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 35): Frühgeschichtliche Grabfunde zwischen Harz und Aller: die Entwicklung der Bestattungssitten im südöstlichen Niedersachsen von der jüngeren römischen Kaiserzeit bis zur Karolingerzeit — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2005

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68706#0088
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Brandbestattungsplätze auf Abhängen weniger markanter
Anhöhen in kontinuierlich landwirtschaftlich genutztem und
nicht vom Sandabbau betroffenem Gelände sind weitaus
schwieriger nachzuweisen. Unter den Brandbestattungsplät-
zen des Untersuchungsgebietes haben aber gerade solche
Fundplätze einen großen Anteil. Ihre Entdeckung ist moder-
nen ackerbaulichen Tätigkeiten, die ungewöhnlich tief in den
Boden eingreifen und rezenten Baumaßnahmen in ehemals
unbesiedeltem Gelände zu verdanken. So wurden die Nekro-
polen von GROSS-GLEIDINGEN (s. Karte 9) und GROSS-
DENKTE (s. Karte 8) beim Einsatz eines Tiefpfluges, die bei
VELTENHOF (s. Karte 10) und LEHRTE (s. Karte 12) bei der
Anlage von Spargelbeeten entdeckt. Die Friedhöfe bei OTH-
FRESEN (24) (s. Karte 15) und WATENSTEDT (s. Karte 21)
wurden beim Straßenbau, die bei ADENSTEDT und RÖT-
ZUM (s. Karte 17) im Zuge der Verlegung einer Pipeline ange-
schnitten. Auf die Brandgräberfelder bei STÖCKHEIM
(s. Karte 13), WOLFENBÜTTEL (s. Karte 2), HANNOVER-
RICKLINGEN und MISBURG stieß man bei der Anlage von
modernen Friedhöfen bzw. beim Aushub von Baugruben.
Die im „OLE HAI" (s. Karte 16), bei HOHENASSEL, NETT-
LINGEN (23) (s. Karte 11) und bei SOMMERSCHENBURG
gelegenen Brandgräberfriedhöfe mit Grabhügeln befinden
sich auf den Abhängen größerer Höhenzüge, in heute bewal-
detem, ackerbaulich nicht genutztem Gelände. Daß solche
Grabhügelfelder mit diesen wenigen Fundorten stark unterre-
präsentiert sein dürften und vermutlich häufiger vorhanden
waren, zeigt das Beispiel der Brandbestattungsplätze von
BÜLTEN, DRÜTTE und UHRY. Im Bereich dieser Fundstel-
len sind im 19. Jh. Wald und Heideflächen in Ackerland umge-
wandelt worden. Dabei hat man zahlreiche damals noch vor-
handene Grabhügel eingeebnet. Unabhängig davon, daß die
Hügel von BÜLTEN, UHRY und DRÜTTE nicht zweifelsfrei
als frühgeschichtlich identifiziert werden können765, zeigen
diese dokumentierten Beispiele, daß kaum abzuschätzen ist,
wieviele solcher Bestattungsplätze unter ähnlichen Umstän-
den zerstört worden sind.
Für das Untersuchungsgebiet läßt sich zusammenfassend fest-
stellen, daß viele der Brandbestattungsplätze im Bereich fla-
cher Geländeanhöhen oder am Hang größerer Höhenzüge
angelegt worden sind. Wo vorhanden, bevorzugte man jedoch
ganz offenbar die Abhänge kleinerer, aber sehr markant aus
der Landschaft hervorgehobener Erhebungen wie die ein-
gangs angeführten „Berge".
Bemerkenswert ist der Befund vom „Ehlerberg" bei CREM-
LINGEN. In ca. 120 m Entfernung vom Bestattungsplatz wur-
den Reste von Grubenhäusern freigelegt, die in die Völker-
wanderungszeit datiert werden (s. Karte 5, Fundort 6 sowie
das Siedlungsverzeichnis im Anhang, Fundort Cremlingen).
Da zumindest eine der Urnen des Bestattungsplatzes dem 5.
oder 6. Jh. zugewiesen werden kann, kann von einer Zuge-
hörigkeit zur Siedlung ausgegangen werden.
Ob und inwieweit im übrigen eine Bezugnahme der Bestat-
tungsplätze auf frühgeschichtliche Siedlungen erkennbar ist,
wird in Kap. 25 weiter erörtert.
13.1. Vorgeschichtliche Nutzungen der gewählten
Bestattungsareale
Auffallend viele der Brandbestattungsplätze sind im Bereich
vorgeschichtlicher Friedhöfe oder Grabdenkmäler angelegt

765 S. Kap. 11.1.5 und Katalog.

worden. So sind bei HANNOVER-RICKLINGEN und
LAATZEN/GRASDORF die frühgeschichtlichen Leichen-
brände im Areal eines Brandgräberfriedhofes der späten Bron-
ze- und frühen Eisenzeit begraben worden. Auch der Brandbe-
stattungsplatz von CREMLINGEN lag im Bereich eines wohl
bronzezeitlichen Gräberfeldes. Vom „PFINGSTBERG" sind
neolithische Grabstätten dokumentiert und in Sichtweite des
frühgeschichtlichen Urnenfeldes, nur knapp 500 m entfernt,
liegen zwei neolithische Großsteingräber766. Auch der
Brandbestattungsplatz bei EILUM erstreckte sich auf den
Abhängen einer Anhöhe, auf der ein vorgeschichtlicher Grab-
hügel liegt.
Eindeutig sind auch die Befunde von UHRY, wo frühge-
schichtliche Brandbestattungen im unmittelbaren Umfeld
eines Megalithgrabes und wohl auch im Bereich einer Nekro-
pole der älteren vorrömischen Eisenzeit angelegt worden sind.
Bei SÜPPLINGENBURG sind frühgeschichtliche Leichen-
brände bei einem vermutlich bronzezeitlichen Grabhügel bei-
gesetzt worden.
Vom Gelände des Brandbestattungsplatzes MEERDORF (21a)
sind drei Urnen überliefert, die zumindest anhand der erhalte-
nen Skizzen auch als bronze- oder eisenzeitliche Gefäßtypen
ansprechbar sind und von einem vorgeschichtlichen Urnen-
friedhofstammen könnten767. Auch im Fall von GRASLEBEN
besteht die Möglichkeit, daß die frühgeschichtlichen Urnen im
Areal eines vorgeschichtlichen, vermutlich eisenzeitlichen
Brandgräberfeldes begraben worden sind768.
Im Bereich einiger der frühgeschichtlichen Brandbestat-
tungsplätze sind Spuren älterer Siedlungen nachweisbar. Auf
dem Gelände des Brandgräberfeldes von CREMLINGEN fan-
den sich Keramikscherben aus einer neolithischen Siedlung
und der bei LEHRTE nachgewiesene Brandgräberfriedhof ist
im Areal einer Siedlung der vorrömischen Eisenzeit angelegt
worden. Auch vom Gelände des Hügelgräberfeldes im „OLE
HAI" liegen Keramikscherben aus einer Siedlung der jünge-
ren Bronzezeit und frühen Eisenzeit vor769. Vielleicht hat man
in frühgeschichtlicher Zeit solche Keramikscherben ebenfalls
für Überreste alter Grabstellen gehalten.

766 D. Gaedtke-Eckardt, Zu den neolithischen Funden vom Pfingstberg
- Eine Übersicht. Die Kunde N.F. 41/42, 1990/91, 57 ff.; zu den
Großsteingräbern, den sogenannten „Lübbesteinen", s. HÄSSLER
1991,441 f.

767 Urnen 21a-4, 21a-5 und 21a-6 (Taf. 25).

768 S. Katalog.

769 Auch vom „Qälenberg" bei RÜNINGEN sind neben den Urnen des
frühgeschichtlichen Friedhofes zahlreiche Funde verschiedener vor-
geschichtlicher Epochen überliefert, die sowohl aus Siedlungs- als
auch aus Grabzusammenhängen stammen könnten.

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