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Ludowici, Babette
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 35): Frühgeschichtliche Grabfunde zwischen Harz und Aller: die Entwicklung der Bestattungssitten im südöstlichen Niedersachsen von der jüngeren römischen Kaiserzeit bis zur Karolingerzeit — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2005

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68706#0091
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14. Die Körpergrabfunde von BEUCHTE

Auf einem östlichen Uferhang der Wedde unweit der Ort-
schaft Beuchte wurden insgesamt neun orientierte Körpergrä-
ber entdeckt (s. Katalog III u. Karte 25). Die am Rand einer
Kiesgrube freigelegten Gräber dürften zu einem größeren Be-
stattungsplatz gehört haben, der beim Kiesabbau zerstört wor-
den ist.

14.1. Zum Befund
Zum Grabbau und zur Beigabenausstattung der Körpergräber
läßt sich folgendes festhalten:
14.1.1. Grabbau
Grab 1 war bei der Entdeckung der Bestattungen von BEUCH-
TE bereits zum größten Teil zerstört. Es barg den Leichnam
einer Frau. Für ihre Beisetzung war in fast drei Meter Tiefe
unter der rezenten Oberfläche eine große Holzkammer an-
gelegt worden. Etliche der bei der Freilegung noch erhaltenen
Grabbeigaben sind bei der unsachgemäßen Bergung der Reste
des Befundes verloren gegangen775. Auch in Grab 9 war eine
Frau in einer hölzernen Grabkammer in ca. 2,5 Meter Tiefe
beigesetzt worden. Dieser Befund war bei seiner Entdeckung
schon weitgehend zerstört. Grab 2 war die Bestattung eines
Mannes, für dessen Beisetzung ebenfalls ein tiefes Holzkam-
mergrab gebaut worden war. Diese Grab war allem Anschein
nach antik beraubt776. Ob die noch erhaltene Beigabenausstat-
tung bei der Freilegung vollständig geborgen wurde, ist frag-
lich777. Grab 5 ist offenbar als einzige Bestattung ungestört
angetroffen worden. Hier war ein Mädchen778 in einer großen
Grabgrube ohne Holzverbau, aber auf einem „Totenbett" lie-
gend, begraben worden779.
Ob die Gräber 3, 4, 6, 7 und 8 ungestört waren, ist anhand der
bislang publizierten Befundbeschreibungen nicht zu erken-
nen. Bei Grab 7, in dem ein erwachsener Mann begraben wor-
den war und bei Grab 8 handelt es sich um einfache, nur rund
80 cm tiefe Körperbestattungen in einem Sarg bzw. auf einem
„Totenbett". Geschlecht und Alter der in Grab 8 beigesetzten
Person sind nicht zu rekonstruieren. Auch für Grab 4 ist eine
Beisetzung in einem Sarg anzunehmen. Vermutlich barg die-
ses Grab den Leichnam eines weiblichen Individuums unbe-
kannten Alters. Zum Grabbau von Grab 3, in dem wie in Grab
5 ein Mädchen beigesetzt worden war, liegen keine näheren
Informationen vor. Aus Grab 6 werden weder Reste eines Sar-
ges noch eines „Totenbettes" erwähnt. Hier war wie in Grab
3 und 5 vermutlich ein Kind bestattet worden78".

775 S. Katalog III.

776 S. Katalog III.

777 S. Katalog III, die Ausführungen zu den Fundumständen des Kam-
mes aus Grab 2.

778 Das Alter der Toten wurde anhand der geringen Körpergröße bzw.
Grablänge erschlossen. Die Skelettreste waren weitgehend vergan-
gen, s. Katalog III.

779 Befundbeschreibung des Ausgräbers, s. Anm. 11 im Katalog III.

780 Zur Altersbestimmung s. Katalog III.

14.1.2. Beigabenausstattung
Von der Beigabenausstattung der in Grab 1 beigesetzten Frau
konnten ein handgeformtes verziertes Keramikgefäß (Taf. 87,
1), eine silberne feuervergoldete Bügelfibel (Taf. 87,2), zwei
Paar Schlüssel (Taf. 87, 8 u. 9), eine mit Goldblech belegte
Schmucknadel (Taf. 87, 7), ein eiserner Hakenschlüssel (Taf.
87,3), ein Bronzering (Taf. 87, 6) und der Rest eines ringför-
mig gebogenen Bronzedrahtes (Taf. 87, 4) sowie ein Spinn-
wirtel aus Ton (Taf. 87, 5) geborgen werden. Vermutlich trug
die hier beigesetzte Frau auch eine Wadenbindengarnitur, die
aber nicht erhalten ist781.
Grab 2 barg u. a. eine Lanze (Taf. 88, 4) und einen Schild
(Schildbuckel- und fessel, Taf. 88, 1 u. 12), einen Bratspieß
(Taf. 88, 7), einen Kamm (Taf. 88, 5) und eine Pinzette (Taf.
88, 11), ein eisernes Messer (Taf. 88, 9), ein „Feuerzeug"
bestehend aus Flintabschlägen und einem Feuerstahl (Taf. 88,
10) und einen goldenen Münzanhänger (Taf. 88, 2), der dem
Toten in den Mund gelegt worden war. Die Beigabe eines
Schildes ließe die Beigabe weiterer Waffen, vor allem eines
Schwertes erwarten. Wie schon erwähnt, ist das Grab aber
wohl antik beraubt worden und man könnte vermuten, daß die
Grabräuber von der ursprünglich umfangreicheren Bewaff-
nung des hier beigesetzten Mannes lediglich Schild und Lanze
zurückgelassen haben782.
Aus Grab 3 sind ein handgeformtes verziertes Keramikgefäß
(Taf. 89, 1), eine silberne und feuervergoldete Bügelfibel (Taf.
89, 3), ein eisernes Messer (Taf. 89, 2), eine eiserne Schere
(Taf. 89,4), eine kleine „Bronzeschnalle mit Eisendorn" (Taf.
89, 5), zwei kleine, vermutlich versilberte Riemenzungen aus
Bronze (Taf. 89,6), ein tönerner Spinnwirtel (Taf. 89, 7), zwei
Glasperlen (o. Abb.), ein kleiner Ring aus Bronze (Taf. 89, 6),
und ein lediglich als Verfärbung im Boden erkennbares Holz-
gefäß (o. Abb.) überliefert.
In Grab 4 fand sich ein nicht identifizierbarer Eisengegenstand
(Taf. 90, 1) und eine „blau-rote" Glasperle (o. Abb.). Grab 5
enthielt zwei handgeformte Keramikgefäße (Taf. 90, 4 u. 2)
und ein Holzgefaß (o. Abb.), eine silberne Bügelfibel (Taf. 90,
5), Glasperlen (Taf. 90, 3), ein Spinnwirtel aus Ton (o. Abb.),
zwei Feuersteinabschläge (o. Abb.) sowie zwei „Eisen-
stückchen" (o. Abb.), wobei es sich der geschilderten Fundla-
ge zufolge um Besatzteile einer Wadenbindengarnitur gehan-
delt haben könnte.

S. Katalog III.
782 H. Roth hat in einer Untersuchung zum „Grabfrevel im Merowin-
gerreich" vermutet, daß Lanzen beim frühmittelalterlichen Grabraub
offenbar unberührt blieben und daher vermutlich ebenso mit einem
Tabu behaftet waren wie Bronzebecken und Gegenstände mit
christlicher Symbolik, selbst wenn diese einen beträchtlichen Mate-
rialwert besaßen. Roth vermutet weiter, daß der Raub von Schwer-
tern aus Gräbern nicht nur mit „vordergründigem Gewinnstreben
verhaftet" gewesen sein muß, sondern auch einen kultisch-religiösen
Hintergrund gehabt haben dürfte. Ein Schwert aus Grab 2 von
BEUCHTE könnte also Ziel einer Beraubung aus solchen Beweg-
gründen gewesen sein. Im allgemeinen ist im mitteldeutschen Raum
antiker Grabraub vergleichsweise selten nachweisbar; s. dazu
H. Roth, Archäologische Beobachtungen zum Grabfrevel im Mero-
wingerreich, in: H. Jankuhn, H. Nelson u. H. Roth (Hrsg.), Zum
Grabfrevel in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, Abhandlungen der
Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-histori-
sche Klasse, 3. Folge, Nr. 113, 1978.

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