Wie im Kap. 6.1.4 („Formen der Leichenbrandbehälter")
erläutert, handelt es sich bei den jüngerkaiser- bis völkerwan-
derungszeitlichen Urnen des Untersuchungsgebietes nicht um
eine speziell für diesen Zweck angefertigte Grabkeramik, son-
dern um Gefäßformen, die auch im Haushalt benutzt worden
sind. Die Keramik aus den Brandbestattungsplätzen überlie-
fert damit aus dem Gesamtspektrum frühgeschichtlicher
Gefäßformen zwar nur die als Leichenbrandbehälter bevor-
zugten Typen (s. auch Kap. 6.1.5), aber im Unterschied zur
meist stark zerscherbten Keramik aus Siedlungsbefunden liegt
mit diesen Urnen ein umfangreicher Bestand erhaltener oder
in Form und Dekor weitgehend rekonstruierbarer Gefäße vor.
Als Grabbeigaben in Körpergräbern sind hingegen nur einige
wenige Gefäße überliefert. Wie in Teil III, „Befunderhebung:
Körpergräber", beschrieben, kennen wir im Untersuchungs-
gebiet aus der jüngeren Römischen Kaiserzeit bislang keine
und aus der Völkerwanderungs- und Merowingerzeit nur elf
Körpergräber (s. Kap. 14, 15 u. 16), von denen lediglich fünf
als Grabbeigaben auch Keramikgefäße enthielten. Zwei der
insgesamt sechs Gefäße ergänzen aber das Typenspektrum der
aus den Brandbestattungsplätzen überlieferten Keramik der
Völkerwanderungs- bzw. Merowingerzeit, da sie Formen
repräsentieren, die dort nicht vertreten sind (s. hierzu die
Ausführungen am Ende von Kap. 6.1.4 und im folgenden das
Kap. 18.1, „Völkerwanderungszeit").
18. Beobachtungen zur handgeformten verzierten Feinkeramik
Handgeformte verzierte Feinkeramik ist unter den Urnen mit
zahlreichen Exemplaren vertreten. Die Eigenheiten und
Entwicklungen der Gestaltungsmerkmale dieser Ware lassen
sich im Spektrum der aus Siedlungsbefunden überlieferten
Keramik nur schwer beobachten, da handgeformte verzierte
Feinkeramik dort lediglich einen kleinen Anteil am Gesamtbe-
stand aller überlieferten Formen hat. Die als Leichenbrand-
behälter benutzten Gefäße ermöglichen hingegen einen
komprimierten Überblick über lokale Form- und Verzierungs-
stile, besonders für die jüngere und späte Kaiserzeit, aber auch
für die Völkerwanderungszeit (s. Abb. 8). Die Zusammen-
stellung dieser Gefäße aus dem Untersuchungsgebiet erlaubt
es, der Verbreitung von Formen und Dekors und damit der zeit-
lichen und räumlichen Ausdehnung einer „Stilprovinz"
nachzuspüren.
18.1. Verzierungselemente und Formen der hand-
geformten verzierten Feinkeramik im über-
regionalen Vergleich
Etwa zwei Drittel der hier zur Diskussion stehenden Keramik
stammen aus den einander nahegelegenen Brandgräberfried-
höfen im „OLE HAI" und auf dem „PFINGSTBERG". Die
übrigen Bestände kommen in unterschiedlichen Mengen von
einem bis zu 107 Exemplaren aus den Bestattungsplätzen Nr.
1-24,26-37, 40-44 und 46-49. Damit stammt zwar der größe-
re Teil des Materials aus der Landschaft östlich der Oker (s.
Karte 1), aber die Keramik aus den Bestattungsplätzen west-
lich des Flusses zeigt in jeder Hinsicht Übereinstimmungen
mit diesem Material (s. auch Kap. 6.1.4)865.
Bei einem Vergleich der als Urnen überlieferten handgeform-
ten Feinkeramik des Untersuchungsgebietes mit der aus
angrenzenden Regionen sind folgende Beobachtungen zu ver-
zeichnen:
Jüngere Römische Kaiserzeit
Vergleichsstücke für die ältesten, dem Zeithorizont „2./3. Jh."
zuweisbaren Urnen (s. Abb. 8) fanden sich zumeist im elb-
germanischen Gebiet (s. die Ausführungen in Kap. 2.1.3.2).
Einige Gefäße entsprechen aber auch aus dem west- oder
rhein-wesergermanischen Kreis bekannten Keramikformen.
Dies gilt beispielsweise für die Urnen 21a-l und 21a-2 aus
Meerdorf (2 la), die Urne 30-2 aus SÜPPLINGENBURG oder
die Urne 646"' vom „PFINGSTBERG", die sich der Form II
nach R. v. Uslar anschließen lassen. Eine Verbreitungskarte
von Gefäßen der Form „Uslar II" legte zuletzt F. Siegmund
vor867. Aus dem Untersuchungsgebiet führt er insgesamt acht
Fundorte auf". Neben Gefäßen aus sechs Siedlungsbefunden
verzeichnet Siegmund die Urnen aus Meerdorf (21a) und
SÜPPLINGENBURG. Durch die Urne 646 vom „PFINGST-
BERG" und durch zwei Urnen aus dem Bestattungsplatz von
LAATZEN/GRASDORF (s. Taf. 82) läßt sich seine Karte
ergänzen und das Verbreitungsbild von Gefäßen der Form
„Uslar II" im Nordharzvorland weiter verdichten (Abb. 14).
Schon G. Stelzer hat in ihrer 1958 veröffentlichten Studie
„Zur Frage der kaiserzeitlichen Besiedlung im westlichen
Nordharzvorland" herausgestellt, daß im Raum zwischen
Harz und Allerniederung im 1. bis 4. Jh., und zwar vor allem
im Spiegel von Siedlungsbefunden, das Ineinandergreifen
zweier keramischer Formenkreise zu beobachten ist: „Das
Gebiet nimmt an der keramischen Entwicklung sowohl des
rhein-weser-germanischen wie des elbgermanischen Formen-
kreises teil, eine zeitliche Aufeinanderfolge ... liegt nicht
vor"869.
Die Urnen des Zeithorizontes „3./4. Jh." (s. Abb. 8) fügen sich
hingegen in allen Formen in das aus elbgermanischen Bestat-
tungsplätzen bekannte Gefäßspektrum ein. D. Gaedtke-Eck-
ardt hat bereits anhand der Urnen vom „PFINGSTBERG"
eine deutliche Verbindung der jünger- bis spätkaiserzeitlichen
Keramik des Arbeitsgebietes zu der des Hannoverschen Wend-
865 Lediglich die beiden aus OTZE erhaltenen Gefäße haben ihre Paral-
lelen nur außerhalb des Untersuchungsgebiets; s. Kap. 2.I.3.2. Aus
AMEDORF liegen nur kleine unbestimmbare Keramikscherben vor,
s. Katalog 11 und Kap. 3.
GAEDTKE-ECKARDT 1991, Taf. 86.
SIEGMUND 1996, Abb. 28.
SIEGMUND 1996, 156, Liste 1, Fundortnummern 12, 46,
93, 94, 96 und 103.
STELZER 1958,40; s. hierzu auch SCHMIDT 1997.
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erläutert, handelt es sich bei den jüngerkaiser- bis völkerwan-
derungszeitlichen Urnen des Untersuchungsgebietes nicht um
eine speziell für diesen Zweck angefertigte Grabkeramik, son-
dern um Gefäßformen, die auch im Haushalt benutzt worden
sind. Die Keramik aus den Brandbestattungsplätzen überlie-
fert damit aus dem Gesamtspektrum frühgeschichtlicher
Gefäßformen zwar nur die als Leichenbrandbehälter bevor-
zugten Typen (s. auch Kap. 6.1.5), aber im Unterschied zur
meist stark zerscherbten Keramik aus Siedlungsbefunden liegt
mit diesen Urnen ein umfangreicher Bestand erhaltener oder
in Form und Dekor weitgehend rekonstruierbarer Gefäße vor.
Als Grabbeigaben in Körpergräbern sind hingegen nur einige
wenige Gefäße überliefert. Wie in Teil III, „Befunderhebung:
Körpergräber", beschrieben, kennen wir im Untersuchungs-
gebiet aus der jüngeren Römischen Kaiserzeit bislang keine
und aus der Völkerwanderungs- und Merowingerzeit nur elf
Körpergräber (s. Kap. 14, 15 u. 16), von denen lediglich fünf
als Grabbeigaben auch Keramikgefäße enthielten. Zwei der
insgesamt sechs Gefäße ergänzen aber das Typenspektrum der
aus den Brandbestattungsplätzen überlieferten Keramik der
Völkerwanderungs- bzw. Merowingerzeit, da sie Formen
repräsentieren, die dort nicht vertreten sind (s. hierzu die
Ausführungen am Ende von Kap. 6.1.4 und im folgenden das
Kap. 18.1, „Völkerwanderungszeit").
18. Beobachtungen zur handgeformten verzierten Feinkeramik
Handgeformte verzierte Feinkeramik ist unter den Urnen mit
zahlreichen Exemplaren vertreten. Die Eigenheiten und
Entwicklungen der Gestaltungsmerkmale dieser Ware lassen
sich im Spektrum der aus Siedlungsbefunden überlieferten
Keramik nur schwer beobachten, da handgeformte verzierte
Feinkeramik dort lediglich einen kleinen Anteil am Gesamtbe-
stand aller überlieferten Formen hat. Die als Leichenbrand-
behälter benutzten Gefäße ermöglichen hingegen einen
komprimierten Überblick über lokale Form- und Verzierungs-
stile, besonders für die jüngere und späte Kaiserzeit, aber auch
für die Völkerwanderungszeit (s. Abb. 8). Die Zusammen-
stellung dieser Gefäße aus dem Untersuchungsgebiet erlaubt
es, der Verbreitung von Formen und Dekors und damit der zeit-
lichen und räumlichen Ausdehnung einer „Stilprovinz"
nachzuspüren.
18.1. Verzierungselemente und Formen der hand-
geformten verzierten Feinkeramik im über-
regionalen Vergleich
Etwa zwei Drittel der hier zur Diskussion stehenden Keramik
stammen aus den einander nahegelegenen Brandgräberfried-
höfen im „OLE HAI" und auf dem „PFINGSTBERG". Die
übrigen Bestände kommen in unterschiedlichen Mengen von
einem bis zu 107 Exemplaren aus den Bestattungsplätzen Nr.
1-24,26-37, 40-44 und 46-49. Damit stammt zwar der größe-
re Teil des Materials aus der Landschaft östlich der Oker (s.
Karte 1), aber die Keramik aus den Bestattungsplätzen west-
lich des Flusses zeigt in jeder Hinsicht Übereinstimmungen
mit diesem Material (s. auch Kap. 6.1.4)865.
Bei einem Vergleich der als Urnen überlieferten handgeform-
ten Feinkeramik des Untersuchungsgebietes mit der aus
angrenzenden Regionen sind folgende Beobachtungen zu ver-
zeichnen:
Jüngere Römische Kaiserzeit
Vergleichsstücke für die ältesten, dem Zeithorizont „2./3. Jh."
zuweisbaren Urnen (s. Abb. 8) fanden sich zumeist im elb-
germanischen Gebiet (s. die Ausführungen in Kap. 2.1.3.2).
Einige Gefäße entsprechen aber auch aus dem west- oder
rhein-wesergermanischen Kreis bekannten Keramikformen.
Dies gilt beispielsweise für die Urnen 21a-l und 21a-2 aus
Meerdorf (2 la), die Urne 30-2 aus SÜPPLINGENBURG oder
die Urne 646"' vom „PFINGSTBERG", die sich der Form II
nach R. v. Uslar anschließen lassen. Eine Verbreitungskarte
von Gefäßen der Form „Uslar II" legte zuletzt F. Siegmund
vor867. Aus dem Untersuchungsgebiet führt er insgesamt acht
Fundorte auf". Neben Gefäßen aus sechs Siedlungsbefunden
verzeichnet Siegmund die Urnen aus Meerdorf (21a) und
SÜPPLINGENBURG. Durch die Urne 646 vom „PFINGST-
BERG" und durch zwei Urnen aus dem Bestattungsplatz von
LAATZEN/GRASDORF (s. Taf. 82) läßt sich seine Karte
ergänzen und das Verbreitungsbild von Gefäßen der Form
„Uslar II" im Nordharzvorland weiter verdichten (Abb. 14).
Schon G. Stelzer hat in ihrer 1958 veröffentlichten Studie
„Zur Frage der kaiserzeitlichen Besiedlung im westlichen
Nordharzvorland" herausgestellt, daß im Raum zwischen
Harz und Allerniederung im 1. bis 4. Jh., und zwar vor allem
im Spiegel von Siedlungsbefunden, das Ineinandergreifen
zweier keramischer Formenkreise zu beobachten ist: „Das
Gebiet nimmt an der keramischen Entwicklung sowohl des
rhein-weser-germanischen wie des elbgermanischen Formen-
kreises teil, eine zeitliche Aufeinanderfolge ... liegt nicht
vor"869.
Die Urnen des Zeithorizontes „3./4. Jh." (s. Abb. 8) fügen sich
hingegen in allen Formen in das aus elbgermanischen Bestat-
tungsplätzen bekannte Gefäßspektrum ein. D. Gaedtke-Eck-
ardt hat bereits anhand der Urnen vom „PFINGSTBERG"
eine deutliche Verbindung der jünger- bis spätkaiserzeitlichen
Keramik des Arbeitsgebietes zu der des Hannoverschen Wend-
865 Lediglich die beiden aus OTZE erhaltenen Gefäße haben ihre Paral-
lelen nur außerhalb des Untersuchungsgebiets; s. Kap. 2.I.3.2. Aus
AMEDORF liegen nur kleine unbestimmbare Keramikscherben vor,
s. Katalog 11 und Kap. 3.
GAEDTKE-ECKARDT 1991, Taf. 86.
SIEGMUND 1996, Abb. 28.
SIEGMUND 1996, 156, Liste 1, Fundortnummern 12, 46,
93, 94, 96 und 103.
STELZER 1958,40; s. hierzu auch SCHMIDT 1997.
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